Foto: © Helios Universitätsklinikum Wuppertal
Prof. Dr. med. Petra A. Thürmann
Petra A. Thürmann (*13. August 1960 in Frankfurt am Main) ist Klinische Pharmakologin am Helios Universitätsklinikum Wuppertal, Hochschullehrerin und seit November 2021 Vizepräsidentin für Forschung an der Universität Witten/Herdecke.
Petra Thürmann studierte von 1979 bis 1985 Humanmedizin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Nach dem Abschluss promovierte sie 1987 am Institut für Klinische Pharmakologie (Direktor: Prof. Dr. Norbert Rietbrock) und entdeckte dabei ihr Interesse an der klinischen Erforschung von Arzneimitteln. Sie blieb am Institut für Klinische Pharmakologie in Frankfurt, führte zahlreiche klinische Studien durch und spezialisierte sich auf Medikamente für Herz-/Kreislauferkrankungen1,2. 1992 legte sie die Facharztprüfung zur Ärztin für Klinische Pharmakologie ab und habilitierte sich 1997 im Fachbereich Humanmedizin an der Johann Wolfgang Goethe-Universität.
Im selben Jahr wurde sie Direktorin des neu gegründeten Philipp Klee-Instituts für Klinische Pharmakologie am damals noch Städtischen Klinikum Wuppertal. 1998 wurde sie auf den Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie an der Universität Witten/Herdecke berufen. Von 2016 bis 2018 war sie ärztliche Direktorin des Helios Universitätsklinikums Wuppertal, von 2019 bis 2021 leitete sie das Helios Center for Research and Innovation. Im November 2021 wurde sie Vizepräsidentin für Forschung an der Universität Witten/Herdecke.
Wissenschaftlicher Beitrag
Petra Thürmann leitete gemeinsam mit Prof. Dr. Joerg Hasford das Netzwerk nationaler Pharmakovigilanzzentren (1998 bis 2008), einen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte über mehr als 10 Jahre geförderten Netzwerk zur Erfassung unerwünschter Arzneimittelwirkungen, die zur Krankenhausaufnahme führen3.
2010 wurde unter ihrer Federführung die PRISCUS-Liste veröffentlicht. Diese Liste umfasst 83 Wirkstoffe, die für ältere Menschen potenziell unangemessen sind, d.h. deren Nutzen/Risikoabschätzung ist für ältere Menschen ungünstiger als für jüngere Menschen und stellen somit ein erhöhtes Risiko für Stürze, Kognitionsverlust und Krankenhauseinweisungen dar4. In der PRISCUS-Liste werden auch mögliche Therapiealternativen aufgeführt oder Hinweise zur Überwachung, falls diese Medikamente doch gegeben werden müssen. Diese Liste wurde 2022 aktualisiert5. Im Jahr 2021 erhielt etwa jede:r zweite Bürger:in über 65 Jahre in Deutschland mindestens einmal im Jahr eine Verordnung für ein solches Medikament6.
Petra Thürmann forscht über die Arzneimitteltherapiesicherheit in Einrichtungen der Langzeitpflege (Hyperlink www.amts-ampel.de) und zeigte Lösungsansätze zur Optimierung auf, die vor allem für eine interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Pflegekräften, heimversorgenden Apotheker:innen und Ärzt:innen sprechen7. Eines dieser Projekte wurde mit dem Gesundheitspreis NRW ausgezeichnet.
Prof. Dr. Petra Thürmann (rechts) und Prof. Dr. Ulrich Jaehde nahmen die Auszeichnung von Ministerin Barbara Steffens (Mitte) entgegen.
Seit ihrer Antrittsvorlesung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität im Jahr 1997 befasste sie sich mit geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Pharmakotherapie8,9. Zusammen mit Doris Janhsen, Soziologin der Universität Essen-Duisburg, war sie Mitglied im Essener Kolleg für Geschlechterforschung und ist Mitglied im Netzwerk Geschlechtersensible Medizin NRW.
Fachgesellschaftliches Engagement und Politikberatung
Petra Thürmann war von 1992 bis 2002 Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Klinische Pharmakologie und Therapie und richtete den Jahreskongress 1999 in Wuppertal aus.
Von 2002 bis 2018 war Petra Thürmann Mitglied im Vorstand der International Union of Basis and Clinical Pharmacology (IUPHAR). Sie war zeitweilig Mitglied im Vorstand der Clinical Division und von 2014-2018 Schatzmeisterin der IUPHAR. In dieser Zeit wurden zahlreiche internationale Symposien veranstaltet, wobei Petra Thürmann vor allen Dingen die Themen Arzneimittelsicherheit, Arzneimitteltherapiesicherheit und Pharmakotherapie im Alter in den Mittelpunkt stellte.
Von 2000-2003 war Petra Thürmann ehrenamtliches Mitglied der Kommission Positivliste, angesiedelt am Bundesgesundheitsministerium. Diese Kommission sollte eine Vorschlagsliste von Medikamenten erarbeiten, die in der gesetzlichen Krankenversicherung erstattungsfähig sein sollten, mit dem Ziel, eine verbesserte Transparenz auf dem deutschen Arzneimittelmarkt zu gewinnen. Die Liste wurde zwar dem Ministerium überreicht, jedoch nie in Kraft gesetzt10.
Seit 2011 gehört Petra Thürmann dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen an. Sie widmet sich besonders den Themen Digitalisierung, Arzneimittelversorgung und aktuell den Zusammenhängen zwischen Gesundheit und Nachhaltigkeit11.
Am 18.4.2024 konstituierte sich im Kanzleramt der ExpertInnenrat Gesundheit und Resilienz | Bundesregierung, dem sie ebenfalls angehört.
© SVR: Prof. von Kalle, Prof. Thürmann, Bundesgesundheitsminister Spahn, Dr. Pfeiffer
Symposium 2021 – SVR Gesundheit (svr-gesundheit.de)
Text: Prof. Dr. med. Petra A. Thürmann
Quellen:
1 Thürmann PA, Stephens N, Heagerty AM, Kenedi P, Weidinger G (1996) Influence of isradipine and spirapril on left ventricular hypertrophy and resistance arteries. Hypertension 28: 450 – 456. doi: 10.1161/01.hyp.28.3.450.
2 Thürmann PA, Kenedi P, Schmidt A, Harder S, Rietbrock N (1998) Influence of the angiotensin II antagonist valsartan on left ventricular hypertrophy in patients with essential hypertension. Circulation 98: 2037 – 2042. doi: 10.1161/01.cir.98.19.2037.
3 Rottenkolber D, Schmiedl S, Rottenkolber M, Farker K, Saljé K, Mueller S, Hippius M, Thuermann PA, Hasford J; Net of Regional Pharmacovigilance Centers (2011) Adverse drug reactions in Germany: direct costs of internal medicine hospitalizations. Pharmacoepidemiol Drug Saf 20: 626 – 634. doi: 10.1111/j.1742-7843.2012.00890.x.
4 Holt S, Schmiedl S, Thürmann PA (2010) Potentially inappropriate medications in the elderly: the PRISCUS list. Dtsch Arztebl Int 107: 543-551. doi: 10.3238/arztebl.2010.0543
5 Mann NK, Mathes T, Sönnichsen A, Pieper D, Klager E, Moussa M, Thürmann PA (2023) Potentially Inadequate Medications in the Elderly: PRISCUS 2.0—First Update of the PRISCUS List. Dtsch Arztebl Int (Forthcoming):arztebl.m2022.0377. doi: 10.3238/arztebl.m2022.0377.
6 Thürmann P, Mann NK, Zawinell A, Niepraschk-von Dollen K, Schröder H (2022) Potenziell inadäquate Medikation für ältere Menschen – PRISCUS 2.0. In: Schröder H, Thürmann P, Telschow C, Schröder M, Busse R (Hrsg.) Arzneimittel-Kompass 2022. Springer, Berlin, Heidelberg. S. 51-76. https://doi.org/10.1007/978-3-662-66041-6_4 (Stand: 03.01.2023)
7 Thürmann P, Bergner S, Jaehde U (2023) Polymedikation und pflegerische Herausforderungen. Bundesgesundheitsbl 2023 (submitted)
8 Fleisch J, Fleisch MC, Thürmann PA (2005) Women in early-phase clinical drug trials: Have things changed over the past 20 years? Clin Pharmacol Ther 78: 445 – 452
9 Thürmann PA (2009) Geschlechterspezifische Unterschiede bei Arzneimitteln. Warum Frauen kein 10 kg leichteren Männer sind. In: Wendler E, Zwickies A (Hrsg.) 100 Jahre Frauenstudium in Jena. Bilanz und Ausblick. Verlag IKS Garamond, Edition Paideia, Jena. S. 107-120
10 Nächstes Jahr die Positivliste? https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2000/daz-21-2000/uid-6689 (Stand: 03.01.2023)
11 Clemens V, Fegert J M, Gottschall S, Liedtke C, von Philipsborn P, Thürmann,P, Weller D & Voss M (2020). wpn2030 – Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030 und SDSN Germany. Impulse für die Überarbeitung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie vor dem Hintergrund der COVID19-Pandemie. Ohne nachhaltige Entwicklung keine Gesundheit, ohne Gesundheit keine nachhaltige Entwicklung. IASS Brochure. DOI 10.2312/iass.2020.047