Foto: © Eva Waldschütz
Asimina Paradissa
Asimina Paradissa wurde 1945 als eines von sieben Kindern in Vrasta, heute Vrástama, nähe Polygyros, auf der nordgriechischen Halbinsel Chalkidiki geboren. 1966 gab es dort für die junge Frau keine Arbeit und sie wollte nach Deutschland, auch um dem Dorfleben zu entkommen. Heimlich hatte sie sich schon eine Arbeitsbescheinigung besorgt, die auf dem Anwerbeabkommen beruhte, aber der Vater musste zustimmen. Nur zusammen mit dem älteren Bruder erlaubte er, dass sie nach Deutschland ausreiste.
Am 19.7.1966 traf sie zusammen mit ihrem Bruder auf dem Münchner Hauptbahnhof ein und von dort aus ging es weiter nach Wilhelmshaven. Eine ihrer Schwestern kam drei Monate später nach. In Wilhelmshaven arbeitete Asimina Paradissa über fünf Jahre bei dem Schreibmaschinenhersteller Olympia. Sie wohnte in einem Wohnheim für unverheiratete Frauen. Sie teilten sich dort zu viert ein Zimmer.
Asimina Paradissa im Frauenwohnheim, 19. Februar 1967
1968 kaufte sie sich von ihren ersten Ersparnissen einen Fotoapparat und eine Schreibmaschine. Schon mit elf Jahren hatte sie ihr erstes Gedicht verfasst und immer gern geschrieben. Ihr erstes Buch wurde in Griechenland 1990 veröffentlicht, das zweite 1997, insgesamt sind es mittlerweile sieben Bücher. In Deutschland ist dieses Jahr das Buch „Jenseits der Grenzen“ erschienen.
Die Kamera hatte sie sich gekauft, weil sie ursprünglich plante, das Leben ihres Onkels in Australien zu dokumentieren. Ihre Idee war, damit ihrem Vater zu zeigen, wie sein Bruder dort lebte. Außerdem wollte sie ihrer Familie Fotos aus Deutschland schicken, um dieser zu beweisen, dass es ihr gut ging.
Ihre Fotographien dokumentieren das Arbeits- und Alltagsleben einer jungen Griechin, die sich in Deutschland einlebt und hier eine zweite Heimat findet. In letzter Zeit steigt das Interesse am migrantischen Leben und ihre Arbeiten als Fotogeschichte der Migration finden zunehmend Aufmerksamkeit in zahlreichen Ausstellungen.
Asimina Paradissa vor einer ihrer Fotografien, die im Museum Ludwig in Köln ausgestellt sind, 28.Mai 2024
1971 hatte sie die Kündigung der Firma Olympia erhalten und eine Freundin empfahl ihr, nach Nordrhein-Westfalen zu kommen. In NRW würde besser bezahlt.
Im gleichen Jahr begann sie in Wuppertal, zunächst bei der Hutfabrik Küpper, und sollte dort an der Nähmaschine arbeiten. Das hatte sie allerdings nicht gelernt. Der Meister empfahl ihr daraufhin die Arbeit im Metallbereich. Bereits in der nächsten Woche wechselte sie zur ELORA-Werkzeugfabrik und nach weiteren fünf Monaten zu „BoMoRo“ (Bocklenberg & Motte, ab 2002 Brose-Gruppe). Dort setzte sie ab 1972 32 Jahre lang Fahrzeugschlösser zusammen, bis 2004 vollkommen unerwartet und ohne persönliches Gespräch die Kündigung im Briefkasten lag. Sie ging zweimal vor das Arbeitsgericht und konnte an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Aber das Arbeitsklima war verdorben. 2008 ging sie dann offiziell in Rente.
Von ihrem Großvater mütterlicherseits habe sie das praktische Talent geerbt. Sie erwarb viele neue Kenntnisse durch die Teilnahme an zahlreichen Lehrgängen. So nahm sie u.a. an einem Friseur-, einem Elektrik- und einem Autotechnikkurs teil, organisiert von der orthodoxen griechischen Gemeinde in Wuppertal. Dadurch konnte sie sogar in einem Fall, nur mit telefonischer Unterstützung, ihren Kühlschrank selbst reparieren.
Ganz wichtig war natürlich die Teilnahme am Deutschunterricht, den der Betriebsrat organisiert hatte. „Ohne Sprachkenntnisse gäbe es kein Weiterkommen“, so Paradissa.
1972, nach bestandener Führerscheinprüfung, hatte sie sich ihr erstes Auto gekauft. Ein Auto zu besitzen bedeutet ihr Unabhängig- und Selbstständigkeit und darauf möchte sie keinesfalls verzichten. Noch immer fährt sie regelmäßig die lange Strecke nach Chalkidiki, um dort die Sommermonate in ihrem Haus zu verbringen und ihre Angehörigen zu besuchen.
Bis heute wohnt sie in Ronsdorf, in einer kleinen Betriebswohnung der Schröder Werkzeugfabrik, bei der sie nebenbei 10 Jahre geputzt hatte. Geheiratet hat sie nie, denn ihre Freiheit wollte sie nicht aufgeben. Dennoch ist sie keineswegs einsam, sondern äußerst gesellig und gut vernetzt.
Asimina Paradissa in ihrer Wohnung, 21.2.2024
Gedicht von Asimina Paradissa
Ausländer
Deutschland brauchte Arbeitskräfte,
darum holte man sie ins Land.
Mit Lust und Fleiß arbeiteten sie
gemeinsam Hand in Hand.
Nur ist sie vorbei die Blütezeit,
jetzt kommt die Arbeitslosigkeit.
Was machen wir mit all den Menschen,
die uns bis jetzt geholfen haben?
Sollen sie fort, sollen sie bleiben?
Wir können sie einfach nicht vertreiben.
Wir müssen eine Lösung finden,
die gerecht und menschlich ist,
denn der Fremde, der hier lebt,
Mensch ist, so wie du es bist.
Text: Eva Waldschütz, 9.6.24
Quellen:
1 Oltmer, Jochen: Migration, Geschichte und Zukunft der Gegenwart, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, WBG, 2017, S. 190
2 ebenda ¹, S. 191
3 Mattes, Monika: „Gastarbeiterinnen“ in der Bundesrepublik, Frankfurt/Main, Campus Verlag GmbH, 2005, S.10
Verortung im Stadtplan: An der Blutfinke, Ronsdorf
Porträtfotos: Eva Waldschütz