Foto: © Avan Amir Weis
Christiane A. Freyer
Christiane Freyer ist am 18.12.1967 in Berlin (Ost) geboren und aufgewachsen.
Seit 2002 lebt und arbeitet sie in Wuppertal. Sie hat die Entwicklung des Frauenzentrums Urania e.V. seit 2005 entscheidend mitgestaltet. Seit 2008 ist sie Vorstandsfrau des Frauenzentrums Urania e.V. und seit Februar 2022 ist sie außerdem im Vorstand des Inside:Out e.V. – das queere Zentrum in Wuppertal.
Christiane Freyer ist seit 2015 mit ihrer Frau verheiratet und hat zwei Patenkinder.
Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem älteren Halbbruder ist sie in Berlin (Ost) aufgewachsen. Sie entstammt einer Arbeiterfamilie. Ihre Mutter war Wäschezeichnerin, überstand eine schwere Tbc und war deshalb oft krank. Trotzdem verdiente sie den Lebensunterhalt der Familie, dafür arbeitete sie im Schichtdienst. Innerhalb der Familie war der Vater ein Tabuthema, die Mutter sprach so gut wie nie über ihn. Ihre Mutter hat ihr viel ermöglicht. Besonders wichtig war es ihrer Mutter, dass ihre Tochter eine Ausbildung abschließt, damit sie unabhängig leben kann. Eine abgeschlossene Ausbildung zu haben ist dann auch für sie ein sehr wichtiges Lebensziel geworden. Im Januar 1993 verstarb ihre Mutter, so dass Christiane Freyer schon früh elternlos wurde.
Sie absolvierte die Polytechnische Oberschule in Berlin (1974-1984). Im Anschluss folgte eine zweijährige Ausbildung zur Druckerin. Ihr Ausbildungsbetrieb schickte sie dann zu einem Studium, dies war in der DDR ein üblicher Weg. 1990 schloss sie nach drei Jahren ihr Studium ab und war Druck-Ingenieurin für grafische Technik.
Ursprünglich war ihr Herzenswunsch, eine Dolmetscher-Ausbildung zu machen. Sie war sprachbegabt und hatte einen guten Notendurchschnitt. Auch hatte sie den Wunsch „in die weite Welt zu gehen“. Jedoch fehlten ihr die notwenigen Beziehungen, die sie für dieses Studium benötigte, so dass sie diesen Wunsch aufgeben musste.
Mit den Veränderungen in der DDR, bedingt durch den Mauerfall – welchen sie in Leipzig erlebte – und die Wende, erlebte sie die Abwertung ihres bisherigen Lebensweges. Christiane Freyer ist mit den Werten der DDR aufgewachsen, doch bereits vor der Wende hatte sie den Glauben an das System verloren.
Von 1991 bis 1994 arbeitete sie bei IKEA in Berlin-Spandau. Ihr Arbeitgeber arbeitete sie in die Markt- und Verkaufsstrategien im Kapitalismus ein – was Neuland für sie war. Bis 2002 arbeitete sie in verschiedenen Druckereien in Berlin. Auf Grund einer betriebsbedingten Kündigung suchte sie eine neue Stelle und bewarb sich erfolgreich an der Bergischen Universität Wuppertal als Laboringenieurin an der Fakultät für Elektro-, Informations- und Medientechnik am Campus Freudenberg. Verbunden mit der neuen Arbeitsstelle war im Sommer 2002 der Umzug von Berlin nach Wuppertal. Schnell merkte sie, wie vielfältig und abwechslungsreich die neue Tätigkeit war: Stets arbeitete sie nun mit jungen Menschen und war wieder als Druckerin an Maschinen mit Papier und Farbe tätig. Zusätzliche administrative Tätigkeiten ermöglichten ihr, viele Menschen kennen zu lernen. Schnell stellte sie fest, dass sie ihren Traumjob gefunden hatte.
Noch in Berlin hat Christiane Freyer im „Sonntagsclub“ der schwul-lesbischen Community mitgearbeitet. In Wuppertal engagiert sie sich seit 2005 intensiv für das Frauenzentrum Urania e.V.. Ausgehend von der frühen Frauenbewegung der 70er Jahre („das Private ist politisch“) hatte sich in dieser Zeit in Wuppertal das autonome Frauenzentrum entwickelt, in dem sich viele Frauen unterschiedlich engagierten. Die „Mutter“ der Frauenbewegung in Wuppertal, Erika Schilling († 2010), erreichte mit den Mitstreiterinnen der frühen 70er Jahre u.a. den Aufbau eines Frauenzentrums. Im Laufe der Jahre wurden unterschiedliche Wohnungen angemietet und gaben Frauen eine „Heimat“ für Zusammentreffen, Gespräche unter Gleichgesinnten, politische Diskussionsrunden, Lesungen, Spielegruppen, Freitagskneipe, Tanzgruppen, Freizeitgestaltung, Silvesterfeiern etc. Die längste Zeit (seit 1977) hatte das Frauenzentrum seine Bleibe in der Stiftstr. 12-14 in Wuppertal-Elberfeld. Nach einer Anzeige wegen „halblegaler Aktivitäten“ sahen sich die Frauen gezwungen, eine offizielle Struktur in Form eines Vereins zu etablieren. Seit 2006 gibt es das Frauenzentrum Urania e.V.. Christiane Freyer ist seit 2008 im Vorstand der Urania und hat dort viel bewegt. Das Frauenzentrum Urania e.V. ist Mitgruppe der Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in NRW (LAG Lesben in NRW e.V.). Nach mehreren großen Jahresfeiern erfolgte 2017 die 40-Jahr-Feier in der Färberei in Wuppertal. Vermutlich ist es in keiner anderen deutschen Stadt Frauen gelungen, über 40 Jahre ein autonomes Frauenzentrum zu erhalten.
2019 kündigte der Vermieter (AOK) auf Grund von Brandschutzvorgaben die Räumlichkeiten in der Stiftstraße. Das Frauenzentrum suchte sich neue Räume in Elberfeld, diese konnten im Juni 2019 in der Hochstr. 60 bezogen werden. Auf Initiative von Christiane Freyer bewarb sich das Frauenzentrum Urania e.V. um das Bürgerbudget 2019 mit dem Konzept der Gründung eines queeren Zentrums in Wuppertal. Diese Idee belegte durch vielfältige Unterstützung aus der LSBTIQ*-Community am Ende den 5. Platz und gewann Fördergelder. Nach Corona-bedingten Verzögerungen konnte das queere Zentrum Inside:Out im Sommer 2022 feierlich eröffnet werden. Durch viel Initiative, auch von Christiane Freyer, konnten weitere Spendengelder akquiriert und neue Perspektiven geschaffen werden.
Christiane Freyer sagt, dass sie sich nicht habe vorstellen können, Berlin, ihre Heimatstadt, zu verlassen. Auch hat sie sich das „Berlinerische“ erhalten. Inzwischen sei sie sehr froh, den Schritt nach Wuppertal gewagt zu haben. Wuppertal ist jetzt ihre Heimat geworden, beruflich wie privat, und sie fühlt sich hier sehr wohl.
Logo © Frauenzentrum Urania e.V.
Gespräche zwischen Christiane Freyer und Claudia Müller, Ende November 2022