Foto: Grete Stern, Public domain, via Wikimedia Commons
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Grete Stern
Grete Stern, * 09.05.1904, in Elberfeld (Wuppertal, Briller Str. 31), war eine deutsch-jüdische Fotografin und Designerin1. International bekannt wurde sie in den 1930iger Jahren durch ihre gemeinsame Arbeit mit der Künstlerin Ellen Auerbach (vorm. Ellen Rosenberg). 1930 arbeitete sie am Bauhaus Dessau, 1932-1933 am Bauhaus Berlin. 1933 – nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten – emigrierte sie nach London. 1936 wanderte sie mit ihrem Ehemann, Horacio Coppola, nach Argentinien aus, seit 1958 hatte sie die argentinische Staatsbürgerschaft. Bis 1982/1983 arbeitete sie in Argentinien als Fotografin2. Am 24.12.1999 starb Grete Stern in Buenos Aires.
Grete Stern wurde in Wuppertal als Tochter betuchter Eltern (tätig in der Textilbranche) geboren. Die Eltern waren häufiger beruflich in London tätig, so dass Grete Stern auch zeitweilig in London lebte. Sie besuchte die höhere Schule und machte ihr Abitur. Von 1923 bis 1925 lernte sie Grafik und Typografie an der Stuttgarter Kunstgewerbeschule am Weißenhof. Sie gab ihre Ausbildung auf, um in Wuppertal freiberuflich als Grafikerin zu arbeiten. 1927 ging sie als Gebrauchsgrafikerin nach Berlin und kam dort mit der Fotografie in Berührung. Sie wollte nun Fotografin werden, kam mit Otto Umbehr (Umbo) und Walter Peterhans (Bauhaus Dessau; „fotographisches Sehen“) in Kontakt. Grete Stern wurde die erste Privatschülerin von W. Peterhans, später gesellte sich Ellen Rosenberg (später Auerbach) dazu. Gemeinsam gründeten sie – mit Hilfe einer kleinen Erbschaft – 1929 ein Fotostudio für Werbefotografie und Porträts, „ringl + pit“, Spitznamen (ringl=Stern, pit=Rosenberg) aus Kindertagen. Stern und Rosenberg arbeiteten eng zusammen, teilten Atelier, Wohnung und Alltag miteinander. 1933 gewann das Künstlerinnenpaar den ersten Preis der „Deuxième Exposition Internationale de la Photographie et du Cinéma“ in Belgien – für ein „Ringlpitis-Album“, was beide in „verrückten Posen und ausgefallenen Kleidern“ zeigte. „Eine sorgfältige Komposition und eine genaue Ausrichtung von Beleuchtung und Kamera machten eine Bildretusche überflüssig“3.
1933 emigrierten beide Künstlerinnen. Grete Stern ging nach Großbritannien, Ellen Auerbach ging mit ihrem Ehemann zunächst nach Palästina. Nach einer kurzen gemeinsamen Zeit in London trennten sich endgültig ihre Lebenswege. Trotz aller räumlicher Entfernung blieben sie bis zum Lebensende weitgehend miteinander verbunden, wenngleich die gemeinschaftliche Arbeit nicht mehr stattfand.
Grete Stern blieb in London und arbeitete drei Jahre als Reklamefotografin und porträtierte Prominente (z.B. B. Brecht, H. Weigel). 1935 heiratete sie den argentinischen Fotografen Horacio Coppola, den sie vom Dessauer Bauhaus her kannte. 1936 wanderte das Paar nach Buenos Aires aus. Im gleichen Jahr wurde ihre Tochter geboren, 1940 ihr Sohn. 1940 eröffneten sie gemeinsam ein Fotostudio in Buenos Aires, was zu einem Treffpunkt progressiver Kunstschaffender wurde. 1941 trennte sich das Ehepaar. Grete Stern schuf Porträts und Kunstreproduktionen teils in Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Künstlern. Sie gestaltete Plakate, Bucheinbände und übernahm Lehraufträge. Von 1956 bis 1972 war sie als Fotografin am „Museo Nacional de Bellas Artes“ in Buenos Aires tätig. Ebenso arbeitete sie fotografisch in vielen anderen Bereichen. Für das Frauenmagazin „El Idilio“ (1948-1950) entwickelte sie Fotomontagen zu Themen der weiblichen Psyche, zu Ängsten und Träumen. Sie entstanden als freie Illustrationen zu psychoanalytischen Texten – Psychoanalyse hatte damals Hochkonjunktur in Argentinien. Grete Stern ging es in den Fotomontagen um die Sichtbarmachung gesellschaftlicher Missstände, insbesondere der Unterdrückung argentinischer Frauen. Sie bezeichnete sich inzwischen als argentinische Fotografin.
In Argentinien hatte Grete Stern mehrere hochgelobte Ausstellungen, die erste kurz nach ihrer Einreise – diese gilt heute als erste Ausstellung moderner Fotografie in Argentinien. Über das Bauhaus-Archiv wurden ihre Werke 1975 (ringl + pit) wieder der Öffentlichkeit präsentiert, was zu diversen Ausstellungen weltweit führte.
Text: Claudia Müller
Bildergalerie:
Interview von Ulrike Müller mit Grete Stern aus dem Jahr 1988:
Quellen:
1 Hier und im Folgenden vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Grete_Stern (Stand: 05.07.2022) ,
https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/grete-stern (Stand: 25.07.2022),
https://daten.digitale-sammlungen.de/0008/bsb00085894/images/index.html?seite=296 (Stand: 18.07.2022),
Müller, Ulrike; Bauhaus-Frauen, 2. Aufl. 2009, S. 132-135,
Rössler, Patrick, Otto, Elizabeth; Frauen am Bauhaus, 3. Aufl. 2019, S. 162-165.
2 DVD arte Edition: Drei Fotografinnen, hier: Grete Stern, Produktion 1993, 2007 im Vertrieb von absolut Medien; Aussagen im Film, Antonia Lerch
3 Zit. Rössler, Patrick/Otto, Elizabeth; Frauen am Bauhaus, S. 163
Mit freundlicher Unterstützung (Geburtsanschrift) des Stadtarchivs Wuppertal