Foto: © Privatbesitz Hayat Chaoui
Hayat Chaoui
Hayat Chaoui ist Sängerin, Gründerin und Chorleiterin des interkulturellen Chores WoW – Women of Wuppertal. Der interkulturelle Frauenchor WoW ist ein Herzensprojekt von ihr, „die ganze Welt kommt in Wuppertal zusammen“. Seit 2002 lebt sie in Wuppertal und ist u.a. Dozentin an der Bergischen Musikschule.
Hayat Chaoui1 wurde in Frankfurt am Main geboren. Sie ist die älteste Tochter marokkanischer Einwanderer und in einem traditionellen Arbeiterviertel aufgewachsen. Die Devise ihrer Eltern war, dass ihre Kinder eine solide Schulausbildung erhalten, denn: „Bildung ist das einzige Gut, was euch keiner nehmen kann“.2
Hayat Chaoui hat immer Musik gemacht, dies war in ihrer Familie so üblich. Schon in der Grundschule wurde ihre wunderbare Sopran-Stimme erkannt und gefördert. Mit 14 Jahren kam sie zur klassischen Musik. Sie war in einem Auswahlchor ihrer damaligen Schule und die „Carmina Burana“ von Carl Orff überwältigte sie. Ihre Lehrer*innen in der Schule haben sie sehr unterstützt und gefördert. Hayat Chaoui studierte zunächst Romanistik, Anglistik und Amerikanistik auf Lehramt an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Sie schloss dieses Studium mit dem Staatsexamen ab. Nebenbei absolvierte sie an der JGU Mainz ihre Chorsänger*innen-Ausbildung. Zu dieser Zeit sang sie bereits in den Chören des Hessischen Rundfunks und gründete ihr erstes Gesangsensemble „Cantosphäre“. Hayat Chaoui nahm mit diesem Gesangsensemble am Wettbewerb „Jugend musiziert“ teil und gewann einen 1. Preis auf Bundesebene. Bei diesem Wettbewerb lernte sie Frau Prof. Barbara Schlick kennen, eine Jurorin, die von dem Gesangsensemble begeistert war. Sie holte Hayat Chaoui 2002 zum Studium an die Hochschule für Musik und Tanz in Köln, Standort Wuppertal, wo sie als Lehrbeauftragte lehrte. Hayat Chaoui sang in diversen Ensembles mit, z.B. im Doppelquartett „ACHtung Vokal“ und gründete das Ensemble für Salonmusik „O là là“.
2010 erwarb sie ein Diplom in Gesangspädagogik. An der Hochschule für Musik und Tanz legte sie ihr künstlerisches Diplom und ein Konzertexamen ab.
Nach ihren Diplomen unterrichtete sie an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln, an der Musikschule in Bochum und an der Elberfelder Mädchenkurrende. 2013 übernahm Hayat Chaoui die Fachbetreuung Gesang an der Bergischen Musikschule. Von 2019 bis 2022 war sie im Chorverband NRW als Bildungsreferentin für die Ressorts Interkultur und Gesundheitssingen / Singen im Alter verantwortlich. Seit 2015 ist sie Gründerin und Leiterin des WoW-Chores.
Eigene Gesangskarriere und WoW – Women of Wuppertal
Ihre eigene Gesangskarriere ist eng mit der Jazzformation Ufermann verbunden. Mit ihr hat sie mehrere CDs herausgebracht, beispielsweise „Salam“ oder „59 Minuten Weihnachten“, wobei das Interreligiöse und Interkulturelle im Vordergrund steht. Sie hat in den unterschiedlichsten Gesangsformationen mitgearbeitet. Daneben hat sie auch „Buxtehude-Sacred“ und das Kiwi-Liederbuch inklusive CD veröffentlicht.
Hayat Chaoui ist als Sängerin und Dozentin in ganz Deutschland unterwegs. Sie ist mit verschiedenen Ensembles und dem WoW – Chor an vielen kulturellen Veranstaltungsorten in Wuppertal, Deutschland und im europäischen Ausland aufgetreten, immer mit großem Erfolg.
Der interkulturelle Frauenchor WoW = Women of Wuppertal ist ein Herzensprojekt von ihr, „die ganze Welt kommt in Wuppertal zusammen“. WoW ist ein Chor von Frauen aus vielen Ländern der Erde. Die Sängerinnen lernen sich als „Botschafterinnen ihrer Kultur“ kennen. Sie singen in ihren Herkunftssprachen und auf Deutsch. Angefangen hat der WoW Chor 2015 als Kooperationsangebot zwischen der Bergischen Musikschule und alpha e.V., einem Träger jobcenterfinanzierter Maßnahmen, um Mütter mit Migrationshintergrund beruflich zu fördern.
Hayat Chaoui arbeitet so niederschwellig wie möglich, um viele Frauen zu erreichen. Frauen unterschiedlicher Altersstufen, Herkunftsländer und Milieus sind miteinander vereint. Die Lieder werden in unterschiedlichen Familiensprachen gesungen, was den interkulturellen Austausch fördert und ein Zeichen gegenseitiger Wertschätzung ist. Viele Frauen haben einen Migrationshintergrund. „Es ist wunderbar, dass so unterschiedliche Frauen zum Chor kommen. Eine Auszeit für die Frauen vom (vorwiegenden) Muttersein und sich um die Kinder zu kümmern. Andere Gruppierungen und andere soziale Formen treffen aufeinander. Sich dabei und andere Frauen zu erleben, spielt eine große Rolle.“ Menschen kennen zu lernen, die man sonst nicht getroffen hätte – dies ist auch eine Form von Emanzipation. Das gemeinsame Singen schafft Begegnung, ist Austausch, Lebenshilfe und vor allem Lebensfreude. Der WoW-Chor ist auch ein geschützter Raum für Frauen auf musikalischer, sozialer und menschlicher Ebene. Der geschützte Raum ist in verschiedenen Kulturen wichtig, da die Begegnung zwischen Frauen und Männern nicht überall unproblematisch ist.
Das Projekt ist, nach mehreren Verlängerungen, inzwischen ausgelaufen und ist jetzt nur noch an der Bergischen Musikschule verortet.
Video: Claudia Müller
Das Kiwi-Liederbuch (und eine Doppel-CD) enthält 80 Kinder- und Wiegenlieder aus aller Welt mit dem Originaltext und singbaren deutschen Textversionen. Neben dem integrativen Lernen stehen auch die Sprachentwicklung und die Förderung der Motorik im Vordergrund. Kindgerechte Lieder und Bewegungsspiele sollen den Alltag bereichern. Die beteiligten Kinder und ihre Eltern sollen über die Musik abgeholt und so die Integration erleichtert werden.
Mit Beginn ihrer Tätigkeit an der Bergischen Musikschule war es Hayat Chaoui ein dringendes Anliegen, als Mitglied einer kommunalen Bildungsinstitution auch die Stadtgesellschaft widerzuspiegeln. Die Musikschule ist noch immer ein Ort des Bildungsbürgertums, auch wenn bereits viele Musikalisierungsprogramme über die Musikschule an den allgemeinbildenden Schulen stattfinden. Frau Chaoui wollte Menschen erreichen, die weder den Zugang zu allgemeinbildenden Schule haben, noch den Weg zu einer Musikschule finden. Mit dem Kommunalen Integrationszentrum Wuppertal wurde ein Angebot kreiert, bei dem die Musikschul-Mitarbeitenden in sozial benachteiligte Stadtteile mit hoher Zuwanderungsquote gehen. Ein kostenfreies Angebot für Eltern mit kleinen Kindern, bei dem die Eltern in ihren Familiensprachen abgeholt werden und dabei die Eltern-Kind-Beziehung und die Sprachkompetenzen durch das gemeinsame Singen gefördert werden. Die Kurse begannen in der Alten Feuerwache (Wuppertal-Elberfeld, Gathe) und ziehen sich jetzt über 8 Standorte quer durch Wuppertal.
Ehrungen / Auszeichnungen:
2002 mit dem Gesangsensemble „Cantosphäre“ 1. Preis auf Bundesebene bei „Jugend musiziert“
2017 erhielt WoW für ihre zukunftsorientierte Arbeit den Preis des Sparda-Musiknetzwerkes
2018 würdigte die Wuppertaler Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen mit der Goldenen Sonnenblume für eine gelungene Integrationskultur
2018 hat der Deutsche Kulturrat „WoW – Women of Wuppertal“ für den Nationalen Integrationspreis der Bundeskanzlerin nominiert
2020 wurde ihr KIWI-Liederbuch mit Kinder- und Wiegenlieder aus aller Welt mit dem Deutschen Rock & Pop Preis als bestes Kinderliederalbum ausgezeichnet
2022 wurde das durch WoW inspirierte Chorbuch „WoW – Women of Our World“ mit dem Preis des Deutschen Musikverlegerverbandes „Best Edition“ ausgezeichnet
2023 Bei der Verleihung des Schuler-Preises der Hartmut-und-Lore-Schuler-Stiftung am 22.10.2023 in der Historischen Stadthalle in Wuppertal hielt ihre jüngere Schwester Ilham die Laudatio
2024 Preis des Bergischen Städtedreiecks „Frau mit Profil“ für ihre sozial-integrative Arbeit mit WoW
Ein besonderes Anliegen:
„Das interkulturelle Arbeiten ist mir ein besonderes Anliegen und ein wichtiger Schwerpunkt in meiner Arbeit. Es geht um das Miteinander und in einem weiteren Sinne um die Gestaltung einer Gesellschaft, in der wir alle gut und menschenfreundlich miteinander leben möchten. Ich sehe es als gesellschaftliche Aufgabe, ganz besonders heute, in einer Zeit, wo rechtspopulistische Parolen salonfähig werden. Das Wirken in der Gemeinschaft, sei es im Sport, sei es in der Musik, kann uns allen im Kleinen eine Heimat sein, Geborgenheit und Wärme schenken, Einsamkeit trotzen, das Immunsystem stärken und überhaupt sehr viele positive Auswirkungen auf uns haben, sodass wir im Idealfall all diese positiven Eigenschaften auch nach außen strahlen und damit wie ein Stein im Wasser immer weitere „Wirkungs“kreise ziehen.“3
Ein Zitat ihrer Schwester Ilham bei der Verleihung des Schuler-Preise ist: „Wenn alle Menschen mehr singen würden, gäbe es weniger Hass auf der Welt.“4
Text: Claudia Müller und Hayat Chaoui (Gespräche und Austausch)
Verortung:
Verortet wird Hayat Chaoui an der Bergischen Musikschule, Hofaue 51, 42103 Wuppertal.
Quellen:
1 Hayat Chaoui ist hier mit dem Geburtsdatum 01.01.2000 versehen, es handelt sich um ein fiktives Datum
2 Aussagen von Hayat Chaoui, teilweise in Zitatform zu den Fragen von Claudia Müller
3 Ebd.
4 Westdeutsche Zeitung, WZ vom 23.10.2023 („Wo gesungen wird, ist kein Platz für Hass“)
Weiterhin wurden als Quellen verwendet:
Westdeutsche Zeitung, WZ, vom 27.09.2023, S. 25 („Jazz als Sprache der Religionen“)
dito, 06.09.2023, S. 19 („Wie ein kleiner Vogel Kinder in die Oper lockt“)
dito, 19.10.2023, S. 18 („Ein Chor als Sozialexperiment, das anstrengt, aber immer wieder gelingt“)
Musenblätter, 26.10.2023 („Musik bewegt! Viel! Preis der Schuler Stiftung für Hayat Chaoui und die Women of Wuppertal“);
https://www.musenblaetter.de/artikel.php?aid=35719&suche=wuppertal vom 05.11.23
Pressetext WoW – Women of Wuppertal, von Hayat Chaoui zur Verfügung gestellt
Musikwelten: https://musikwelten-nrw.de/blogbeitrag/hayat-chaoui/ vom 22.06.23
Elba-Talk, Hayat Chaoui vom 11.04.2021
Chaoui, Hayat: WoW – Women of our World; Interkulturelles Chorbuch für Frauenstimmen, Breitkopf & Härtel 2021