Foto: © Ingo Klatt
Roswitha Dasch
Roswitha Dasch (*19. Februar 1963 in Marl) ist eine in Wuppertal lebende Musikerin, die sich besonders durch Darbietungen jiddischen Liedguts und der Klezmermusik einen Namen gemacht hat.
Die Voraussetzungen für eine musikalische Karriere waren günstig. Sie wuchs in einer vielseitigen Familie auf. Der Großvater war Musikdirektor in Dresden, die Mutter malte und spielte Geige. Des Vaters Geigenspiel wurde eher als „Jugendsünde“ betrachtet. Er entschied sich für den Beruf des Chemikers und brachte den naturwissenschaftlichen Teil in die Familie ein.
Sprechen konnte die kleine Roswitha schon mit zwei Jahren, Lieder lernte sie schnell und auch das Improvisieren am Klavier machte ihr früh Spaß. Die Mutter förderte das Kind, indem sie sie mit den verschiedensten Instrumenten in Berührung brachte. „Ich wurde spielerisch an die Musikwelt herangeführt“ erinnert sich Roswitha Dasch. Mutter und Tochter inspirierten sich gegenseitig.
Mit acht Jahren bekam sie Geigenunterricht und bereits nach drei Jahren gab es erste öffentliche Auftritte – gemeinsam mit der Mutter im Orchester der Katholischen Kirchengemeinde St. Laurentius in Haltern.
Später erhielt sie auch Klavierunterricht und das Spiel an Vaters Gitarre brachte sie sich im Selbststudium bei. Die Zeit der politischen Liedermacher Ende der 70er Jahre prägte ihre Jugend, doch die Verbindung zur klassischen Musik riß nie ab.
Als sie 1979 die Gruppe ‚Zupfgeigenhansel‘ mit jiddischen Liedern im Fernsehen sah, war sie nachhaltig beeindruckt. Diese Musik berührte sie tief und dies stellte Weichen für die Zukunft.
„Das war einfach die komplette Verbindung meiner Liebe zur jiddischen Sprache, meiner Liebe zur Geige, zur osteuropäischen Musik und meinem Interesse am Judentum“.
Nach dem Abitur folgte das Studium der Geige und des Klaviers an der Hochschule für Musik und Tanz Köln/Wuppertal sowie eine private Gesangsausbildung. Ein weiterführendes künstlerisches und pädagogisches Studium rundete die Ausbildung ab.
Schon während des Studiums absolvierte Roswitha Dasch zahlreiche Konzertauftritte im In- und Ausland u.a. in den Partnerstädten Wuppertals Beer Sheva in Israel und Košice in der Slowakei. Später sollten noch zahlreiche Städte und Länder hinzukommen, jedoch führte sie der Weg immer wieder nach Litauen.
Projekt: Eine wundersame Rettung
1994 begegnet Roswitha Dasch auf einer Konzertreise in Litauen ehemaligen Ghetto- und KZ-Häftlingen und lernt deren persönliche Geschichten kennen. Sie hatte in der Zwischenzeit bei verschiedenen Muttersprachlern Jiddisch gelernt und ihre Sprachkenntnisse immer wieder durch verschiedene Seminare u.a. beim Yiddisch Summer in Weimar und Vilnius vertieft. Dass sie sich direkt auf Jiddisch mit den Menschen unterhalten konnte, vereinfachte die Kommunikation und trug nicht zuletzt zu einem besonderen Vertrauensverhältnis bei. Aus diesen Berichten, historischen Recherchen und Liedern des Wilnaer Ghettos entstand eine Collage, die 1995 im Wuppertaler Schauspielhaus uraufgeführt wurde. 1997 wurde auf ihre Initiative der Verein ‚Mizwa – Zeit zu handeln’ gegründet. Ihr Engagement wurde unter anderem von Johannes Rau unterstützt. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die inzwischen betagten Überlebenden des Nazi-Terrors zu unterstützen und ihnen den beschwerlichen Alltag zu erleichtern, da sie oft nur über eine geringe Rente verfügen. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit entstehen Ausstellungen und der Dokumentarfilm „Sage nie, du gehst den letzten Weg“ (2002) in Zusammenarbeit mit der Dokumentarfilmerin Sabine Friedrichs.
2021 erscheint ein Hörbuch über das Schicksal von Tamar Dreifuss, die als Kind die Schrecken des zweiten Weltkriegs in Litauen miterleben mußte. Diese Geschichte von Verfolgung und Überlebenskampf wird aus der Sicht des Kindes und der Mutter eindrucksvoll erzählt und von Roswitha Dasch und dem Finkelstein Trio musikalisch untermalt. Es sprechen Iris Berben und Sofia Bertolo.
Seit dem Studium ist Roswitha Dasch in zwei Richtungen aktiv. Zum einen als Musiklehrerin an der Bergischen Musikschule und zum anderen durch öffentliche Auftritte mit verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern.
Zunächst ist da die Ausrichtung nach Osteuropa und zur jiddischen Musik. Sie organisierte zahlreiche Festivals der Klezmermusik wie z.B. die Konzertreihe Klez:colours, mit Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt, die von 1997 bis 2019 in Wuppertal stattfand. Darüber hinaus war sie Mitwirkende bei zahlreichen Funk- und Fernsehproduktionen, gestaltete Ausstellungen und hielt Vorträge.
In Katharina Müther aus Freiburg fand sie 1999 eine Seelenverwandte in Sachen jiddischer Musik. Gemeinsam mit ihr am Akkordeon bildeten sie das Duo Wajlu. „Wajlu“ ist ein Wort aus dem Lied „Shpil mir tsigayner“ und beschreibt einen Seufzer – im positiven wie im negativen Sinne. Mit dem Namen des Duos sollte so eine Vielzahl an emotionalen Facetten zum Ausdruck gebracht werden. Die erste CD mit dem Titel „Shpil mir tsigayner“ stammt aus dem Jahr 2000.
Es folgten fruchtbare Jahre mit zahlreichen Konzerten, die sie bis nach Weißrußland, in die Ukraine und sogar nach Tanzania führten. Beide waren ab 2004 auch Dozentinnen beim Yiddish Summer Weimar für den Bereich ‚Jiddisches Lied’.
Durch den plötzlichen Tod von Katharina Müther im Jahr 2018 wurde die Zusammenarbeit und die Freundschaft jäh beendet. Die große Lücke, die sie hinterließ, war nur schwer zu ersetzen. Roswitha Dasch konzentrierte sich stärker auf ihre Lehrtätigkeit im Bereich Geige, Orchester und Kammermusik an der Bergischen Musikschule. Hier gibt sie ihr Können, ihr Wissen und ihre Leidenschaft für die Musik an die nächste Generation weiter. Auch diese Arbeit trägt Früchte. So sind schon einige der jungen Geigerinnen und Geiger Preisträger beim Wettbewerb ,Jugend musiziert’ auf Regional-, Landes- und Bundesebene geworden, teilweise sogar Mitglied der Deutschen Streicherphilharmonie – einem jungen Orchester von Musizierenden im Alter zwischen 11 und 20 Jahren, die durch ihre hohe Qualifikation und ihr exzellentes Spiel regelmäßig für Erstaunen sorgen.
Unvergessen ist auch der Auftritt zweier ihrer „Wunderkinder“ zum Konzert anläßlich des 20jährigen Bestehens der Bergischen Synagoge.
Eine weitere intensive Zusammenarbeit entstand mit Ulrich Raue aus Düsseldorf. Das Duo gestaltet politisch kabarettistische Bühnenprogramme – in denen Künstlerinnen und Künstler wie Kurt Tucholsky, Erika Mann, Käthe Kollwitz und Mischa Spoliansky mit Musik und Texten portraitiert wurden.
Roswitha Dasch ist vielseitig, arbeitet akribisch und hat eine ansteckende Energie. Zahlreiche Veranstaltungen hat sie initiiert, organisiert, beworben und stand selbst auf der Bühne. Gemeinsam mit anderen Musikerinnen und Musikern vermag sie verschiedene Kulturen zusammenzubringen und ihr Publikum zu begeistern.
Neben ihrem musikalischen Wirken engagiert sie sich tatkräftig und mit viel Herzenswärme für geflüchtete Menschen aus verschiedenen Ländern. Auch hier hat sie schon vielen Familien durch ihr Organisationstalent und ihr praktisches „Mitanpacken“ das Ankommen in Wuppertal erleichtert.
Für ihr künstlerisches Wirken erhielt sie 2008 den Förderpreis der Enno und Christa Springmann Stiftung, 2012 den Von-der-Heydt-Förderpreis der Stadt Wuppertal und 2016 den Künstlerpreis der Schuler Stiftung.
Roswitha Dasch hat inzwischen gemeinsam mit MusikerkollegInnen sieben CDs veröffentlicht.
Sie ist verheiratet, lebt in Barmen und besitzt einen zauberhaften Garten.
Text: Petra Bald
Quellen:
Werner-Staude, Monika (2022): Als Dreijährige zu Mozarts Violinkonzert A-Dur getanzt. In: Westdeutsche Zeitung vom 15.01.2022.
https://de.wikipedia.org/wiki/Roswitha_Dasch (Stand:15.05.2016)
Booklet der CD Eine wundersame Rettung. Tamar ein Kinderschicksal im Holocaust. 2021, Köln. headroom Verlag.
Persönliche Interviews am 2. und 23. Mai 2023
Fotos: © Ingo Klatt
Verortung auf dem Standplan:
Bergische Musikschule Hofaue 51