Foto: Privatbesitz
Commandeur, Barbara (Baco)
Barbara Commandeur (auch Baco genannt) wurde am 01.02.1951 in Dermbach (DDR) geboren und zog 1955 nach Wuppertal.
Nach einer Ausbildung zur technischen Zeichnerin (Baco selbst schreibt dazu in einer lyrisch-verfassten subjektiven Biografie „le(h)re unwillig durchgemacht“ 1), studierte sie Textildesign an der GHS Wuppertal („bis zum examen cryativcryaktiv“). In den 1980er Jahren trat sie mit ihren künstlerischen Zeichnungen und Texten hervor, öffentlich zunächst 1983 innerhalb einer Gruppenlesung zur Eröffnung der Ausstellung zur Bücherverbrennung in der Stadtbibliothek Wuppertal. Im gleichen Jahr erfolgte ihre erste Veröffentlichung in der von Jo Micovich herausgegebenen Lyrikanthologie ‚ Neben dem achten Längengrad‘ in der edition Cormoran.
Sie war in verschiedenen Frauen- und Autor*innengruppen engagiert, so der Künstlergruppe INFLAZION in Remscheid, in der sie sich mit Aktionen und Graphiken beteiligte, und der Autorengruppe W-tal, mit der sie an mehreren Gruppenlesungen teilnahm.
Ab Mitte der 80er Jahre engagierte sie sich explizit auch in Frauengruppen im Rahmen von Frauenkunst- und Kulturwochen und Veranstaltungen (Reutlingen, München, Dortmund) und nahm mit Lesungen und Performances teil („pERsönliche Fürwörter“; „Bitte achten Sie auf die sekundären Geschlechtsorgane“, „Hautnah“). 1987 gründete sie mit anderen Frauen die Gruppe ‚Frauen-Kulturfrauen‘.
1987 veröffentlichte sie Gedichte in der von Herman van Veen herausgegebenen Zeitschrift ‚Pierrot‘, 1990 einen Beitrag in ‚Mein heimliches Auge V‘ im Konkursbuchverlag Claudia Gehrke.
Die Gedichte Barbara Commandeurs sind existentiell2, „Dokumente eines vehementen Lebens“3 einer Frau, die alle Ebenen des Lebens ungeschönt erfasst in ihrer Komplexität und die „sich mit aller Leidenschaft völlig verausgabt.“4. Diese beiden Pole des (Ver)zweifelns einerseits („keine Haut ist gerettet“5) und der Hoffnung andererseits („Hand anlegen an die Vergeblichkeit des Lebens, für das Leben“6) markieren Kennzeichen ihrer Lyrik. Schmerz und Liebe werden nicht aufgehoben, sondern sind fortwährend gleichzeitig anwesende Begleiter des Lebens und des Zutrauens, das immer neu erkämpft werden will:
Komm,
lass uns noch einmal
die Sterne in uns
besoffen machen, [ …]
und träumen unsere
Haut wüchse mit
jeder Berührung zu-
sammen [ …]7
1992 veranstaltete Barbara Commandeur zusammen mit Julia Schüller im FORUM Wuppertal die Leseperformance “La vie en Camembert” (Auszüge per Video hier auf Youtube8).
In ihrem letzten Jahr gründete sie mit fünf anderen Künstler*innen das ‚Atelier 5‘ und beteiligte sich am Projekt ‚Balpare‘ mit Texten, Performance und Kreide-Arbeiten.
Barbara Commandeur verstarb tragisch bei einem Wohnungsbrand ihres Nachbarn in der Seifenstraße am 22.11.1993 in Wuppertal.
Die Wohnung mit dem Brand lag unterhalb der Wohnung Barbara Commandeurs. Die Feuerwehr vermutet, dass sie durch das verrauchte Treppenhaus fliehen wollte, aber auf der dritten Etage zusammenbrach. Es war keine Rettung mehr möglich, als Feuerwehr und Polizei eintrafen.
Sie wurde in mehreren Ausstellungen auch posthum gewürdigt, wie 2012 im Heinrich-Heine-Kiosk in Wuppertal-Oberbarmen9, deren Betreiber*innen Boris Meißner und Barbara Held parallel einen illustrierten Lyrikband von Barbara Commandeur als Retrospektive herausgaben: Glastagebrechen – Texte von 1980 bis 1993.10
Ebenfalls posthum wurden der Wuppertaler Stadtbibliothek 2015 vier Collagen als Dauerleihgabe übereignet: 774 Streichholzschachteln hatte Barbara Commandeur mit Buchstaben, Wörtern, Satzfragmenten und Fotos beklebt und zu Collagen montiert.11
Zusammen mit Werken Rudolf Schoofs wurden 2017 in der Galerie Alter in der Villa Berens in Bilstein Werke von Barbara Commandeur unter dem Ausstellungstitel ‚ Geschichten mit Fenstern. Grafiken – Drucke – Collagen – Aquarelle ‘ gezeigt.12
Text: Uta Kroder & Ulrike Mecking-Kroder
Quellen:
1 Hier und im folgenden:
Hier und im folgenden nach Glastagebrechen – Texte von 1980 bis 1993. Hrsg. Von Boris Meißner und Barbara Held, Nordpark Verlag, 2012, S. 73-76, Backcover
2, 3 und 4 https://www.nordpark-verlag.de/commandeur-glastagebrechen.html und https://www.wuppertaler-rundschau.de/kultur/774-streichholzschachteln_aid-37249001
(Stand: 26.07.2020)
5 Zitat aus dem Gedicht November 1983, s.o., S. 24
6 Zitat aus Gedicht o. Titel, S. 9
7 Zitat aus Gedicht o. Titel, S. 10.
8 https://www.youtube.com/watch?v=m3PcvX77UFU, Auszüge aus der Performance “La vie en Camembert” – Barbara Commandeur – Monologien, Wuppertal 1992 (Forum am Arrenberg) (Stand: 26.07.2022)
9 http://www.heine-kunst-kiosk.de/ausstellungen/2012/barbara-commandeur-retrospektive/index.html (Stand: 26.07.2022)
10 s. Fußnote 1.
11 https://www.wuppertaler-rundschau.de/kultur/774-streichholzschachteln_aid-37249001 (Stand: 26.07.2022)
12 https://www.wp.de/sport/lokalsport/kreis-olpe/erinnerungen-an-zwei-grosse-kuenstler-in-der-villa-berens-id211906773.html (Stand: 26.07.2022)