Foto: © photoprop Kerstin Felbe
Monika Bilstein
Monika Bilstein ist eine verlässliche Wuppertalerin, um nicht zu sagen Ronsdorferin. Als Kind eines Kaufmanns und einer Kontoristin wuchs sie gemeinsam mit ihrem Bruder in diesem Stadtteil auf und engagiert sich auch heute noch dort, z.B. durch die Teilnahme an Lesungen zu den Ronsdorfer Literaturtagen.
Schon im Elternhaus spielte Literatur eine wichtige Rolle und so wurde ihr schnell klar, daß Buchhändlerin ihr absoluter Wunschberuf ist.
Nach dem Abitur entschied sie sich deshalb für eine Ausbildung bei der Buchhandlung Köndgen in Barmen. Nach einem weiteren Jahr im Buchhandel ging es für sechs Jahre in die Zeitschriftenstelle der Bibliothek der Bergischen Universität Wuppertal. Im Jahr 1987 trat sie eine Stelle als Sekretärin der Geschäftsleitung des Peter Hammer Verlags an. Sie sollte dem kleinen Verlag auf dem Rott in Wuppertal Barmen 35 Jahre lang treu bleiben.
Learning by doing war nun für Monika Bilstein angesagt um die andere Seite des Buchgeschäftes kennenzulernen – von der Verkaufsseite in der Ausbildung nun zu der Auswahl und der Produktion von Büchern. Von der Pike auf gelernt, war das Wissen um die Vermarktung hierbei sehr hilfreich.
Monika Bilstein erinnert sich:
„Meine Bewerbung als Verlagssekretärin fiel genau in die Zeit, in der der Verlag von der Krise geprägt war, das konnte ich von außen gar nicht einsehen. Ich habe die Stelle bekommen, und obwohl ich Schreibmaschine schreiben konnte, hatte ich gar keine Ahnung, was eine Verlagssekretärin tun muss, aber das ging dann alles sehr schnell. Dadurch, dass der Verlag sich so neu aufstellen musste, bin ich im Nu in alle Arbeitsbereiche gekommen, die wichtig sind.“
Für Belletristik und Sachbücher aus Afrika und Lateinamerika war der Verlag bekannt und etabliert. Aber das Interesse an Sachbüchern mit entwicklungspolitischen Themen wurde geringer. Die Solidaritätsbewegungen der 70er und 80er Jahre hatten ihre Höhepunkte hinter sich und das aufkommende Internet lieferte Informationen schneller und aktueller. Nun waren größere Umstrukturierungen und Verschiebungen im Programmbereich angesagt und so entstand als weiteres Standbein Ende der 80er Jahre ein anspruchsvolles Kinder- und Jugendbuchprogramm.
1993 hatte Monika Bilstein schon Prokura bekommen und als 2001 der langjährige Verlagsleiter Hermann Schulz in den Ruhestand ging, folgte sie ihm in der Leitung des Verlages.
Monika Bilstein baute den neuen Programmbereich unter Beibehaltung der bisherigen Themenbereiche kontinuierlich aus und machte ihn zum umsatzstärksten Segment des Verlages. Bekanntester Titel des Verlag wurde das Bilderbuch „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ von Werner Holzwarth und Wolf Erlbruch.
© Peter Hammer Verlag
Aus dem umfangreichen Verlagsprogramm möchte sie aber auch diese drei nicht unerwähnt lassen:
- „Die große Frage“ von Wolf Erlbruch mit ehrlichen Antworten auf die Frage „Warum bin ich auf der Welt?“
- „33 Bogen und ein Teehaus“ von Mehrnousch Zaeri-Esfahani über eine Flucht von Isfahan/Iran nach Heidelberg.
- „Eines Nachts im Paradies“ von Jürg Schubiger mit Illustrationen von Rotraut Susanne Berner – eine Schöpfungsgeschichte heiter und berührend erzählt.
Lesung 2016 mit Autorin Mehrnousch Zaeri-Esfahani © privat
Die Bedeutung des Verlags in der bundesdeutschen Verlagslandschaft drückt sich in den vielen Preisen und Auszeichnungen aus, die der Verlag im Laufe der Jahre bekommen hat.
Da ist unter anderem der Deutsche Jugendliteraturpreis zu nennen – dem wichtigsten deutschen Preis in diesem Segment. Diesen erhielten Dolf Verron für „Wie schön weiß ich bin“ und Will Gmehling für „Freibad“.
Weitere Auszeichnungen waren der Josef-Guggenmos-Preis für Kinderlyrik (Arne Rautenberg), die Hans-Christian-Andersen-Medaille (Rotraut Susanne Berner) und der Astrid Lindgren Memorial Award für das Gesamtwerk von Wolf Erlbruch.
Doch auch die Literatur für Erwachsene kam nicht zu kurz. Zweimal bekamen Autoren des Verlags den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels: Ernesto Cardenal und Chinua Achebe.
Neben den Auszeichnungen für einzelne Bücher erhielt auch der gesamte Verlag für sein engagiertes Programm verdiente Würdigungen; 2019, 2020 und 2022 den Deutschen Verlagspreis der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zur Unterstützung der hervorragenden Arbeit für unabhängige Verlage und 2009 den Kurt-Wolff-Preis für Gestaltung, Inhalt und Programm.
Das erfolgreiche Kinder- und Jugendbuchprogramm half dabei, weiterhin die Möglichkeit zu haben afrikanische und lateinamerikanische Autoren zu verlegen, die nicht unbedingt zu Bestsellern werden, deren Bücher aber so dringend gebraucht werden.
Ein großes Anliegen des Verlages liegt in der Autorenbetreuung. Monika Bilstein hat es geschafft den Autorinnen und Autoren eine verlegerische Heimat zu geben und die Aufmerksamkeit zu generieren, die die Verfasser und Verfasserinnen verdienen.
Monika Bilstein führte den Verlag mit Hingabe und Professionalität. Sie hat es geschafft, in Zeiten der Übernahmen und Fusionen dem Verlag seine Unabhängigkeit zu bewahren. Dass neben der fachlichen Kompetenz dabei auch die menschliche Komponente eine große Rolle spielt, drückt die Beschreibung von Claudia Putz aus, die 25 Jahre mit ihr zusammengearbeitet hat:
„Wir hatten ein stabiles Team mit geringer Fluktuation, das Klima im Verlag war darum familiär – wir haben viel gearbeitet, aber auch viel zusammen gelacht. Monika hat den Verlag mit ruhiger Hand geführt, war konzentriert und verläßlich und wir Kolleginnen waren immer beeindruckt von ihrer enormen Belastbarkeit. Sie füllte ja ganz unterschiedliche Jobs aus, die in größeren Verlage auf mehrere Schultern verteilt werden: die inhaltliche Gestaltung der Programms, die finanzielle Planung und Verantwortung und die öffentliche Repräsentation. Obendrein hatte sie immer ein offenes Ohr für unsere persönlichen Belange. Es hat Spaß gemacht, mit Monika zu arbeiten, ich erinnere mich zum Beispiel gerne an ihr Faible für lustige Wörter und ihre Räubersprache (Anmerkung: Spiel- und Geheimsprache), die uns auch in stressigen Zeiten den Humor erhalten hat.
Bei aller sorgfältigen Planung des Verlagsgeschehens hätte sie beinahe ein wichtiges Ereignis verpasst. Auf der internationalen Kinderbuchmesse in Bologna/Italien wird in jedem Frühjahr der Gewinner des „Astrid Lindgren Memorial Award“ bekanntgeben. Eine Auszeichnung, die man wegen seiner großen Bedeutung auch als „Nobelpreis für Kinderliteratur“ bezeichnet. Das ist naturgemäß eine aufregende Angelegenheit, auch wenn die Chancen auf den Gewinn des Preises wegen der hochkarätigen Kandidaten aus aller Welt gering ist. Auf dieser Veranstaltung war Monika JEDES Jahr. Nur im Jahr 2017 nicht, da hat sie zum ersten Mal zeitgleich einen anderen Termin auf der Messe vereinbart.
…… und ausgerechnet in diesem Jahr gewinnt Wolf Erlbruch den ALMA!
Eine Journalistin hat Monika auf dem Handy erreicht und ihr die Wahnsinnsnachricht übermittelt. Monika ist zum Ort des Geschehens gehastet, wo alle warteten, um ihr zu dem Erfolg zu gratulieren – amüsiert von der Tatsache, dass sie nach all den Jahren ausgerechnet diese Preisverkündigung verpasst hatte.“
ALMA 2017 © Susanna Wengeler
Doch auch überregional engagierte sich Monika Bilstein für den Literaturbetrieb. Sie war im Vorstand der Kurt-Wolff-Stiftung, die sich seit 2000 für Förderung einer vielfältigen Verlags- und Literaturszene einsetzt und im Vorstand der LitProm – Literaturen der Welt. Wenn auch fest in Wuppertal verortet, führten sie viele Reisen zu Autorinnen und Autoren nach Lateinamerika.
Im November 2022 hat Monika Bilstein die Verlagsleitung an die nächste Generation weitergegeben.
Zitat:
„Mein Berufsleben fühlt sich rund an – es sind tolle Projekte entstanden, vieles ist gelungen, und sogar die vergangenen beiden Jahre haben der Stabilität des Verlages nichts anhaben können“, sagt sie. „Das ist ein sehr guter Zeitpunkt, ihn in andere Hände zu legen.“
Die neugewonnene Freizeit verbringt sie mit vielfältigen Aktivitäten. Nun ist mehr Zeit die Natur beim Wandern, Walken und im Garten zu genießen, Klavier zu spielen und Italienisch zu lernen. Doch auch die Tätigkeiten rund um das Buch reißen nicht ab. Sie ist in der Jury des Deutschen Buchhandlungspreises und liest wie eingangs erwähnt zu verschiedenen Anlässen. Verlässlich eben!
Text: Petra Bald
Verortung: Föhrenstr. 33-35
Quellen:
https://de.wikipendia.org/wiki/Monika_Bilstein (Stand: 6. November 2023)
Buchmacherinnen – der BücherFrauen-Podcast von Jana Stahl, Susanne Martin, Marianne Eppelt, Stephanie Hanel vom 6.8.2021 das Interview führte Anita Djafari
Persönliches Interview am 14. November 2023
Persönliches Interview mit Claudia Putz am 04. Dezember 2023
https://www.buchmarkt.de/Leute/RundeGeburtstage v. 16.9.2018
https://taz.de/50-Jahre-Peter-Hammer-Verlag/!5339570/ vom 28.9.2016