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mit frdl. Genehmigung DEBEGA (Deutscher Berufsverband für Eutonie Gerda Alexander e. V.)
Gerda Alexander
Bekannt wurde Gerda Alexander wohl in der Hauptsache durch die Begründung und Entwicklung ihrer Methode der ‚Eutonie‘. Das Wort stammt aus dem Griechischen und ist zusammengesetzt aus den Silben ‚eu‘ = gut, wohl und ‚tonos‘ = Spannung.
Bei der Eutonie handelt es sich um eine somatopsychische Methode mit dem Ziel der Förderung von Körperbewusstsein, Eigen-Verantwortung, Unabhängigkeit und Kreativität.
Den Begriff der Eutonie prägte Gerda Alexander 1957.1 Während zuerst das Ziel der Entspannung im Vordergrund stand, ging es ihr später stärker um den Aspekt der Spannungsregulation. 1959 stellte sie ihr Konzept unter dem Begriff ‚Eutonie‘ erstmals auf einem Kongress in Kopenhagen vor.2 „Was wir nicht mit dem ganzen Körper erfahren, bleibt auf intellektuelle Information beschränkt, ohne Leben oder geistige Realität. Jede soziale Kommunikation bleibt oberflächlich, wenn wir nicht mit anderen leiden oder glücklich sein können. Diese ständige Tonusanpassung ist die Grundlage für einen realen und lebendigen Kontakt zu seiner Umgebung.“3
Welcher Weg führte Gerda Alexander zur Entwicklung der Eutonie?
Foto: Elternhaus von Gerda Alexander an der Bergbahn 20, Wuppertal-Barmen | Nachlass Gerda Alexander, mit frdl. Genehmigung DEBEGA (Deutscher Berufsverband für Eutonie Gerda Alexander e. V.), www.eutonie.de.
Gerda Alexander, geboren am 15. Februar 1908 in Barmen, wohnhaft später in Dänemark, zuletzt wieder in Wuppertal, wuchs mit Eltern auf, die sich sowohl für Musik als auch für Bewegung interessierten. Sie befürworteten die Methoden der Dalcroze Rhythmik und wollten ihre Kinder nach deren Prinzipien erziehen.4
„Gerda erzählte, dass ihr Vater sie als Baby aufnahm, wenn sie weinte und sie zum Klavier trug, damit ihre Füße die Tasten berührten und einen Klang erzeugten. Sie vermutete, dass diese Berührung der Fußsohlen mit der dadurch stimulierten Streckung der Beine gegen den Widerstand der Tasten und die so erzeugten Klänge und Rhythmen einen wesentlichen Grund legten für ihr Gefühl der Einheit von Berührung, Bewegung, Widerstand, Rhythmus und Klang.“5
Gerda Alexander entwickelte ein starkes Interesse an Musik, Theater und Tanz bzw. Bewegung. Sie begann in Wuppertal rhythmische Erziehung bei Otto Blensdorf zu studieren, einem Rhythmik-Pädagogen und Schüler von Emile Jaques-Dalcroze. Auch die Reformpädagogik hatte starken Einfluss auf ihre Entwicklung, und sie erforschte in der folgenden Zeit den Körper und seine Bewegungsmöglichkeiten, seine Funktionen und Gesetzmäßigkeiten, auch und vor allem in Verbindung zur Wechselwirkung mit der Umwelt. Eine Rolle spielte dabei wahrscheinlich, dass sie selbst als Kind an diversen entzündlichen Krankheiten litt.6 Sie entwickelte „ökonomische und kraftsparende Bewegungsmöglichkeiten und förderte damit Selbstregulierungs- und Heilkräfte im Organismus“7.
Ende der 20er Jahre legte sie ihr Staatsexamen als Lehrerin für rhythmische Gymnastik ab und war zudem als Choreographin tätig.
1933 ging Gerda Alexander aus politischen Gründen nach Kopenhagen. „Eine Pädagogik, die an die Verantwortung des Individuums appelliert, hat keinen Platz in einem Land, in dem ein Führer alle Verantwortung allein übernimmt.“8
1940 gründete sie die Gerda-Alexander-Schule in Kopenhagen, wo sie bis 1987 „Eutonie-Pädagogik, -Therapie und Bewegungsgestaltung“ unterrichtete.9 Dabei bildeten Eigenverantwortung und Angemessenheit der Spannung an die jeweilige Situation die Grundlagen ihres Eutonie-Verständnisses.
„Es kommt eine neue Ära. Man könnte sie vielleicht als die Zeit des Untergangs der isolierten Vernunft bezeichnen. … Zu dieser Bewusstseinserweiterung möchte ich beitragen. Und sei es auch nur mit einem Tropfen.“10
Und weiter: „Das ist vielleicht auch das allerwichtigste an meiner Arbeit geworden: die Anpassung an die Realität des Augenblicks. Gerade das können die meisten Leute nicht, viele glauben, dass sie einem System folgen müssen. Aber das kann man in der Arbeit mit lebendigen Wesen nicht machen.“11
Nach dem Krieg erhielt sie die dänische Staatsangehörigkeit. Es folgten zahlreiche Reisen und Kongresse in Europa, Israel, USA und Lateinamerika. Schließlich kehrte sie nach Wuppertal zurück, wo sie am 21. Februar 1994 starb.
Abschließen möchte ich mit einer Begebenheit, die – wie Gerda Alexander selber sagte – sie sehr geprägt habe und die nichts von ihrer Aktualität verloren hat: „Wir trafen einen französischen Offizier, der aus Clion herunterkam, einen Feind. Obwohl er einen kleinen Schnurrbart trug, war er ein normaler Mensch. Und er schoß nicht mit einer Waffe auf uns, er tötete uns nicht, sondern grüßte uns sehr freundlich. Die Verblüffung darüber, dass ein Feind eine so freundliche Person sein konnte, löste ein explosionsartiges Gefühl in mir aus: Alle Erwachsenen, die im Krieg mitmachten, mussten völlig im Irrtum sein. In diesem Augenblick beschloss ich, mich lebenslang darum zu bemühen, den Menschen begreiflich zu machen, daß auch die »Feinde« menschliche Wesen sind. Jahre später erinnere ich mich an diesen Augenblick; als wäre es meine Geburtsstunde als autonomer Mensch und auch heute noch fühle ich mich dem damaligen Gefühl tief verpflichtet.“12
Text: Angelika Feld (28. August 2025)
Foto: Nachlass Gerda Alexander, mit frdl. Genehmigung DEBEGA (Deutscher Berufsverband für Eutonie Gerda Alexander e. V.), www.eutonie.de.
Verortung im Stadtplan:
Bergbahn 20, Wuppertal Barmen (Elternhaus)
Quellen:
1 https://www.eutonie.de/was-ist-eutonie/die-gruenderin/ (Stand: 28.08.2025)
2 Karin Schaefer: Einführung. In: Dies.: Gerda Alexander. Ein behutsamer Blick in ihr privates Leben. Bremen 2019 (= Eutonie-Gerda-Alexander Heft 6, hrsg. vom Verein Gerda-Alexander-Schulen e.V. und Deutsche Eutonie-Gesellschaft Gerda Alexander e.V.), online abrufbar unter: https://www.eutonie.de/wp-content/uploads/2024/09/Eutonie-Heft-6-2019-LOW.pdf (Zugriff: 25.8.2025), S. 4-5, hier: S. 4.
3 Gespräch mit David Bersin, Somatics 1983/84, angeführt in: Karin Schaefer: Wer war Gerda Alexander? In: Schaefer 2019, S. 6-13, hier: S. 6.
4 Karin Schaefer: Die Familie in Wuppertal. In: Schaefer 2019, S. 14-17, hier: S. 14.
5 Ebenda.
6 Seite „Gerda Alexander“. In: Wikipedia – Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 27. August 2025, 20:44 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gerda_Alexander&oldid=259245556 (Abgerufen: 28. August 2025, 00:36 UTC).
7 https://www.eutonie.de/was-ist-eutonie/die-gruenderin/ (Stand: 28.08.2025)
8 Karin Schaefer: Die Eutonie Gerda Alexander. In: Wolfgang Steinmüller (Hrsg.): Gesundheit – Lernen – Kreativität: Alexander-Technik, Eutonie Gerda Alexander und Feldenkrais als Methoden zur Gestaltung somatopsychischer Lernprozesse. Verlag Hans Huber, Bern u. a. 2001, S. 54, zitiert nach Wikipedia: Gerda Alexander, 27. August 2025.
9 https://www.eutonie.de/was-ist-eutonie/die-gruenderin/ (Stand: 28.08.2025)
10 Hadassa K. Moscovici: Vor Freude tanzen, vor Jammer halb in Stücke gehen, Frankfurt 1989, S. 57, zitiert nach Schaefer 2019, S. 12.
11 Moscovici 1989, S. 52, zitiert nach Wikipedia: Gerda Alexander, 27. August 2025.
12 Violeta Hemsy de Gainza: Gespräche mit Gerda Alexander. Annäherung an die Eutonie, Herausgeber ASEGA 2003, zitiert nach Schaefer 2019, S. 10.
Fotos:
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