Foto: © Dr. Christiane Groß
Dr. Ute Otten
Ute Otten war Ärztin und Frauengesundheitsaktivistin. Neben ihrer ärztlichen Tätigkeit hat sie sich mit großem Engagement ehrenamtlichen Aufgaben gewidmet und wurde dafür vielfach geehrt.
Ute Otten wurde am 14. Dezember 1935 in Berlin geboren. Sie ist am 22. August 2024 in Wuppertal gestorben.
Nach dem frühen Unfalltod ihres Vaters 1936 und der erneuten Heirat der Mutter wuchs sie mit fünf Geschwistern in Erfurt auf. 1945 wurde das Familienunternehmen samt Wohnsitz enteignet. 1954 floh sie aus der DDR über West-Berlin nach Freiburg, da sie in der DDR trotz sehr guter Abiturnoten nicht Medizin studieren durfte. In Freiburg im Breisgau musste sie ohne weitere Vorbereitung eine Zusatzprüfung zur Hochschulzulassung absolvieren, die sie bestand. Im Wintersemester 1954/55 begann sie an der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität das Studium der Medizin, das sie 1960 mit Staatsexamen und Promotion abschloss.
1960 zog Ute Otten mit ihrem Mann Hinrich Otten (ebenfalls Arzt) nach Wuppertal, wo sie bis zu ihrem Tod lebte. Zunächst arbeitete sie als Medizinalassistentin in der Städtischen Krankenanstalt Barmen (heute: Helios Universitätsklinikum Wuppertal) und im Bethesda-Krankenhaus Wuppertal. 1962 erhielt sie die Approbation. Zwischen 1963 und 1966 bekam sie drei Kinder. Nach Tätigkeit in der Mütterberatung des Gesundheitsamtes Wuppertal arbeitete sie von 1969 bis 1982 als Schulärztin. Anschließend war sie Fachbereichsärztin für Sozialmedizin bei der Stadt Dortmund und leitete von 1986 bis 2000 den Kinder- und Jugendärztlichen Dienst im Kreis Unna. Daneben lehrte sie über viele Jahre Sozialmedizin an der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf, arbeitete für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), organisierte sozialpädagogische Projekte in Zusammenarbeit mit der AIDS-Hilfe und wirkte an einem Projekt zur Verbesserung der Wohnsituation von Kindern mit.
Ihr ehrenamtliches Engagement war vielfältig, wobei ihr die Belange von Frauen stets besonders am Herzen lagen: Nach dem Mauerfall unterstützte sie den Austausch zwischen Ärztinnen aus den neuen und den alten Bundesländern und half in Breslau beim Aufbau des polnischen Ärztinnenbundes. Auch in Deutschland engagierte sie sich für die Rechte und Interessen von Frauen, so war sie ab 1981 im Vorstand des Deutschen Ärztinnenbundes und von 1993-1997 dessen Präsidentin. Ute Ottens frauenpolitisches Engagement im Vorstand des Deutschen Frauenrates (1986-1992) fiel mit der Amtszeit von Rita Süßmuth zusammen, die 1985 die erste Bundesfamilienministerin wurde. Ute Otten nahm mehrfach an europäischen und internationalen Tagungen teil, so z.B. an der Vierten Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking. 20 Jahre lang war sie Vorsitzende der Jury für den Kinder- und Jugendbuchpreis des Deutschen Ärztinnenbundes „Die silberne Feder“. Sie besuchte regelmäßig Kinderkliniken, sichtete die Neuerscheinungen unter den Kinder- und Jugendbüchern, die sich mit Krankheit, Tod und der Entwicklung von Kindern beschäftigten, und erstellte Empfehlungslisten für Pflegende, Eltern und Lehrer*innen. Ute Otten war außerdem bis 2019 Vorsitzende des Vereins Stolpersteine in Wuppertal e.V.
Als in Folge des Balkankonflikts viele Menschen fliehen mussten, kümmerte sie sich um die Organisation und Durchführung der medizinischen Erstversorgung von bosnischen Geflüchteten. Sie schreckte auch nicht davor zurück, Risiken auf sich zu nehmen. So schmuggelte sie im Auftrag des Ärztinnenbundes versteckt in einer Tüte Haferflocken eine große Geldsumme an den Behörden vorbei ins bosnische Kriegsgebiet, um Monika Hauser (Frauenrechtsorganisation medica mondiale e.V.) und ihr damals gerade gegründetes Frauentherapiezentrum Medica Zenica zu unterstützen. Dort erhielten und erhalten Frauen nach sexualisierter Gewalt medizinische und psychologische Hilfe.
Für ihre Verdienste wurde Ute Otten 1999 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse geehrt. 2011 erhielt sie die Auszeichnung „Mutige Löwin“ des Deutschen Ärztinnenbundes sowie 2020 die Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft.
Text: Dr. Dagmar Hertle
Dr. Ute Otten mit Paracelsus Medaille, Foto: © Dr. Christiane Groß
Quellen:
Persönliches Gespräch mit Dr. Dagmar Hertle
Deutsches Ärzteblatt: Archiv „Ute Otten: Ehrenamtliches Engagement“ (27.11.2020) (aerzteblatt.de)
Vorstand der Bundesärztekammer: Laudatio zur Verleihung der Paracelsus-Medaille. September 2020 (bundesaerztekammer.de)
Vorstand. In: stolpersteine-wuppertal.de. Stolpersteine in Wuppertal e.V., abgerufen am 2. Januar 2021.
Andreas Boller: Paracelsus-Medaille für die Wuppertaler Ärztin Ute Otten. In: Westdeutsche Zeitung. 12. Oktober 2020
Paracelsus-Medaille für Dr. Ute Otten. In: aekno.de. Ärztekammer Nordrhein, 21. Oktober 2020
Dr. med. Ute Otten mit Paracelsus-Medaille ausgezeichnet: DÄB gratuliert dem Ehrenmitglied zur höchsten Ehrung der deutschen Ärzteschaft. In: aerztinnenbund.de. Deutscher Ärztinnenbund, 12. Oktober 2020
Verortung:
Verortet wurde Ute Otten am Ort ihrer Tätigkeit, am Gesundheitsamt Wuppertal, Willy-Brandt-Platz 19.