Foto: © Gustav Schröder
Christa Vahlensieck
Christa Vahlensieck – eine Pionierin des Marathonlaufes
Christa Vahlensieck (geb. Kofferschläger, geb. 27.05.1949 in Düsseldorf) ist eine erfolgreiche ehemalige Langstrecken- und Marathonläuferin, die als erste deutsche Frau den Marathon in einer Zeit unter drei Stunden lief und sowohl national wie auch international zahlreiche Rennen gewann und Strecken- sowie Weltrekorde aufstellte.
Christa Vahlensieck (geb. Kofferschläger) wurde am 27. Mai 1949 in Düsseldorf geboren. Bereits in der Volksschule begeisterte sie sich für Sport und Musik – beides Leidenschaften, denen sie noch heute nachgeht. Da es damals nur wenige Möglichkeiten gab, sich als Mädchen sportlich zu betätigen, begann sie früh mit dem Laufen.
Mit knapp 14 Jahren begann sie nach Schulende eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich. Glücklich war sie mit dieser Tätigkeit nicht. Doch entstand in dieser Zeit der Kontakt zu einem Leichtathletikverein in Neuss.
Dort traf sie auf den bekannten Mittel- und Langstreckentrainer Adi Rosenbaum, der sofort ihr besonderes Lauftalent erkannte. Und bereits nach wenigen Wochen gewann Christa Vahlensieck die Westdeutschen Waldlaufmeisterschaften in der B-Jugend. Für sie bedeutete das den Beginn ihrer Laufkarriere.1
Adi Rosenbaum trainierte nach der Ausdauermethode Dr. van Aakens. Dieser, ein bekannter Sportmediziner, propagierte schon früh, dass Frauen gut Langstrecken laufen könnten. Damit stellte er sich der gesellschaftlich herrschenden Meinung entgegen, die zahlreiche Sportarten für Frauen als ungeeignet und sogar schädigend ansahen.
Die längste Wettkampfstrecke für Frauen betrug zur damaligen Zeit nur 800 m, erst nach und nach wurden auch längere Strecken eingerichtet, noch viel später 1500 m und 3000 m.
Die kürzeren Strecken waren nicht die passendste Distanz für Christa Vahlensieck. Als sie jedoch bei den längeren Waldläufen antrat, hatte sie sofort Erfolg.
Anfangs starteten die Frauen gemeinsam mit den Männern, da es keine offiziellen Langstreckenwettbewerbe für Frauen gab. Christa Vahlensieck erlebte das zum Teil als schwierig, da manche Männer Probleme gehabt hätten, von einer Frau überholt zu werden.2
Anfang der 70er Jahre zog Christa Vahlensieck nach Wuppertal. Sie hatte dort die Möglichkeit, Berufstätigkeit und Sport miteinander zu verbinden. Ihr Arbeitgeber unterstützte ihre sportliche Karriere, indem sie immer wieder für internationale Wettkämpfe freigestellt wurde. Seit dem Beginn der 70er Jahre startete sie für den BTV.
In dieser Zeit waren in Deutschland wie in vielen anderen Ländern Frauen noch nicht für Marathonläufe zugelassen. 1974 durften sie zum ersten Mal offiziell beim Boston Marathon starten, auch wenn vorher das Reglement die Teilnahme von Frauen nicht explizit verboten hatte. 1967 war Katrin Switzer – zunächst als Frau unerkannt mitgelaufen, sie hatte ihren Vornamen auf der Anmeldung nicht ausgeschrieben – und in der Folge disqualifiziert bzw. aus dem Leichtathletik-Amateur-Verband und von der Boston Athletics Association Verband auch von allen weiteren Rennen ausgeschlossen worden.3
1973 fand dann der erste Marathonlauf für Frauen in Waldniel statt, organisiert von dem engagierten Dr. van Aakens.
Christa Vahlensieck berichtet, dass der Lauf auf großes Interesse bei den Medien stieß: „Wahrscheinlich war man der Meinung, dass die Frauen reihenweise zusammenbrechen würden, doch das Gegenteil war der Fall. Alle Frauen kamen unversehrt und locker ins Ziel“.4
Christa Vahlensieck gewann den Lauf mit einer Zeit von 2:59:26, im Jahr darauf lief sie beim Marathon in Essen sogar noch schneller, diese Zeit wurde jedoch nicht anerkannt, da die Strecke nach offiziellen Vorgaben etwas zu kurz war. Im April 1975 lief sie dann in Dülmen offizielle Weltbestzeit mit 2:40:15.
1975 fand dann die erste Deutsche Meisterschaft im Marathon für Frauen statt.
Nach und nach kamen immer mehr Einladungen aus dem Ausland, an Marathonläufen teilzunehmen: Sao Paulo, Puerto Rico, Boston, New York. Immer wieder konnte sich Christa Vahlensieck auf Plätzen weit vorne platzieren. Der erste Preis, den sie gewann, war übrigens ein Eierkocher bei einem Lauf in Düsseldorf, was ein wenig an den Preis der deutschen Fußballfrauen erinnert, die 1989 beim Gewinn der Europameisterschaft ein Kaffeeservice bekamen.
In der Folge wurden dann auch höhere Preisgelder ausgesetzt; da die Frauen als Amateurinnen liefen, durften sie diese jedoch nicht behalten, die Preisgelder kamen ihnen dann indirekt zugute.
Wenn man Christa Vahlensieck fragt, welcher Lauf für sie besonders wichtig war, dann berichtet sie vom Friedensmarathon in Košice, seit 1980 Partnerstadt Wuppertals in der Slowakei. Dieser Marathonlauf ist nach Boston der zweitälteste Marathonlauf überhaupt und der älteste in Europa. 1981 lief Christa Vahlensieck ihn zum ersten Mal. Eindrücklich beschreibt sie dieses Erlebnis, vor allem den herzlichen Kontakt zu den Menschen erlebte sie als besonders und beeindruckend.5
Christa Vahlensieck 1988 | Foto: © Gustav Schröder
Als den Höhepunkt ihrer Karriere bezeichnet Christa Vahlensieck den Freundschaftslauf Wuppertal – Košice 1988, bei dem 32 Läufer und Läuferinnen aus Wuppertal und Košice als Staffellauf 1765 km vom Wuppertaler Rathaus bis nach Košice liefen. Initiiert und organisiert hatte den Lauf federführend der damalige Leiter des Presseamtes der Stadt Wuppertal, Andreas Ziegler, selber Langstreckenläufer und in Wuppertal zuständig für die Städtepartnerschaften. Schirmherren dieses Laufes waren der damalige Außenminister Hans Dietrich Genscher und sein tschechoslowakischer Amtskollege Bohuslav Chňoupek. Dieser Lauf warb für einen friedlichen Dialog und gute nachbarschaftliche Beziehungen.
So war es möglich, dass die Läufer*innen ohne Passkontrolle die Grenze passieren konnten. In Košice wurden sie begeistert empfangen, es entstanden Kontakte und Freundschaften, die zum Teil heute noch bestehen, für Christa Vahlensieck wie eine „zweite Familie“.6
Natürlich gab es auch Enttäuschungen: so hatte Christa Vahlensieck für die 1. Weltmeisterschaft 1983 in Helsinki die Qualifikation erreicht, wurde aber nicht nominiert, angeblich, da sie vorher nicht an den Deutschen Bahnmeisterschaften teilgenommen hatte, was jedoch abgesprochen war. Nach massivem Druck von außen wurde sie eine Woche vor der WM nachnominiert, konnte sich aufgrund der Zeitknappheit jedoch nicht ausreichend vorbereiten und belegte den 19. Platz.
Insgesamt wurde Christa Vahlensieck 18 x Deutsche Meisterin in verschiedenen Disziplinen wie Marathon, 25km – und 15km Straßenlauf sowie in der Langstrecke Crosslauf. Sie gewann zwischen 1973 und 1989 21 Marathonläufe und stellte 2 offizielle Weltrekorde im Marathonlauf auf.
1989 beendete Christa Vahlensieck ihre offizielle Wettkampfzeit. Heute läuft sie unbelastet von Wettkampfdruck zwei- bis dreimal in der Woche aus Freude. Laufen ist für sie die „schönste Nebensache der Welt“, sie schätzte und schätzt vor allem die Kontakte, den Zusammenhalt und Teamgeist. Auch die Musik begleitet sie weiterhin im Leben, so singt sie in zwei Chören. Darüber hinaus engagiert sie sich mit ihrem Ehemann schon seit langem bei dem Verein WiN (Wuppertaler in Not).
Text: Angelika Feld
Verortung im Stadtplan: Barmer Turn-Verein 1846, Heckinghauser Str. 24, 42289 Wuppertal
Quellen:
1 S. 43, Vahlensieck, Christa: „Laufen, die schönste Nebensache der Welt“, in: Beate Kommritz-Schüler, Bettina Richter u.a. (Hg.): Running forever. Wie Frauen zu lebenslangen Läuferinnen werden, Hildesheim: arete Verlag 2021, S.43
2 ebd., S. 49
3 Hürter, Tobias, „Was damals geschah“, in: Andreas Sentker (Hg.): Zeitwissen, Nr.03, Mai / Juni 2023, Hamburg, S.62-65, S.63 f.
4 ebd., S. 45
5 ebd., S. 46
6 ebd., S. 47f
Fotos:
Christa Vahlensieck laufend: © Gustav Schröder, mit vielem Dank an Ralph-Derek Schröder und laufreport.de
Selbstporträt: Christa Vahlensieck, mit freundlicher Genehmigung
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