Foto: © Nachbarschaftsheim Wuppertal
Hanna Jordan
Hanna Jordan wurde am 03. April 1921 in der Wotanstr. 15 in Wuppertal-Vohwinkel geboren. Ihr Leben war geprägt von kreativem jüdischen Leben und der Verfolgung durch das Naziregime. Ihre Eltern schickten ihr einziges Kind auf das Internationale Quäker Internat in Eerde, Niederlande. Sie kehrte 1939 nach dem Abitur nach Wuppertal zurück und begann ihr Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie. Sie wurde eine sehr bedeutende und bekannte Bühnen- und Kostümbildnerin in Wuppertal bzw. in Deutschland. Mit ihrer Mutter gab sie nach dem Krieg den Anstoß für die Gründung des Nachbarschaftsheims in Wuppertal.
Am 26.01.2014 ist Hanna Jordan in Wuppertal gestorben.
Ihr Lebensmotto war:
„Hass ist immer der falsche Weg, löst keine Probleme, schafft neue Gewalt“.
Hanna Jordan wurde in ein „offenes Haus“ geboren. Die jüdische Mutter, Henriette Jordan, und der „arische“ Vater, Franz Jordan, versammelten in ihrem Haus Freunde und Verwandte aus unterschiedlichsten Lebenssparten. Es waren Menschen aller religiöser und politischer Überzeugungen, Künstler:innen aller Richtungen. Es herrschte eine höchst kreative Atmosphäre. Kunst, Hausmusik, Literatur und Theater gehörten zum täglichen Leben. Es war ein großzügiges, liberales und kosmopolitisches Elternhaus.1 Ihr Vater war Quäker, ihre Mutter Jüdin, was sie unter der Herrschaft des Nationalsozialismus zu einem sog. Mischling ersten Grades machte und sie der nationalsozialistischen Rassenverfolgung aussetzte. Nach dem Besuch der evangelischen Volksschule und der Frauenoberschule in Wuppertal-Vohwinkel schickten ihre Eltern sie 1935 auf das Internationale Quäker-Internat, Schloß Eerde, in Ommen in den Niederlanden. Sie hatten die veränderten politischen Zeiten richtig gedeutet. „Die Gesellschaft der Freunde“, wie sich die Quäker bezeichneten, gab jüdischen Kindern Unterschlupf vor Verfolgung und bot ein reichhaltiges Bildungsangebot. Die Ausbildung bezog neben der Pädagogik auch praktische Fertigkeiten ein. Kurse in Töpfern, Weben und Bildhauerei gehörten ebenso zum Bildungsprogramm wie auch die Selbstversorgung mit Lebensmitteln. Der „Geist von Eerde“ war ein musisch-musikalischer.2
Hanna Jordan entwarf hier ihre ersten Kulissenbilder für Schüleraufführungen und sammelte Erfahrungen im künstlerischen Bereich. Später bezeichnete Hanna Jordan ihre Jahre in Eerde als die glücklichsten ihres Lebens. 1939 kehrte sie nach Deutschland zurück und für sie stand fest, sie wolle ihren Traumberuf „Bühnenbildnerin“ erlernen. Die nationalsozialistische Hetze gegen jüdische Mitbürger war bereits weit fortgeschritten. Die geplante Auswanderung der Familie nach England scheiterte durch den Beginn des II. Weltkrieges. Hanna Jordan besuchte zwei Semester die Werkkunstschule in Wuppertal und bewarb sich dann an der Düsseldorfer Kunstakademie. Sie bestand die Aufnahmeprüfung und studierte dort drei Semester. Dann wurde sie als Mischling ersten Grades von der Akademie „entfernt“ – sehr zum Bedauern ihrer Professoren. Die Reichskulturkammer hatte ein Hochschulverbot für alle jüdischen Student:innen erlassen.3
Kurze Zeit war es ihr möglich, ein Bühnenbild-Studium an der Folkwangschule in Essen zu beginnen. Als 1942 die Folkwangschule geschlossen wurde, musste Hanna Jordan „Kriegseinsatz“ in einer Wuppertaler Rüstungsfabrik leisten. Gemeinsam mit Freunden und v.a. den Quäkern gelang es, Widerstand zu leisten, ein Netzwerk im Untergrund aufzubauen und so Hilfsbedürftigen aktiv zur Seite zu stehen. Bald darauf musste sie mit ihrer Mutter untertauchen. Gute Freunde versteckten beide an wechselnden Orten in Wuppertal und im Bergischen Land.4 Der Vater hatte einen Unterschlupf in Süddeutschland gefunden. Viele Freunde und Verwandte wurden Opfer des Holocaust.
Nach Kriegsende 1945 kam Hanna Jordan zurück nach Wuppertal. Sie arbeitete als Bühnenbildnerin für das Kabarett „Die Wäscheleine“ in den Trümmern von Düsseldorf. Knapp ein Jahr gestaltete sie Bühnenbilder.5 1946 ging ihr größter Wunsch, in Wuppertal eine Festanstellung als Bühnenbildnerin zu bekommen, in Erfüllung. 1947 heiratete Hanna Jordan den Juristen Walter Kraft, 1948 kam ihr einziges Kind, Tochter Tilla, zur Welt. Die Ehe hielt nicht lange, auch nach der Scheidung blieben beide freundschaftlich miteinander verbunden. 1957 starb die Tochter an der damaligen Epidemie (asiatische Grippe). Den Tod der Tochter hat sie nie verkraftet.6
Bis 1981 arbeitete sie an den Wuppertaler Bühnen (Schauspielhaus und Opernhaus) und trug mit ihren Bühnenbildern maßgeblich zum guten Ruf von Schauspiel und Oper bei. Sie gastierte auch an den Bühnen in Stuttgart, Hamburg, München, Berlin und Wien und war Pionierin beim WDR-Fernsehen.7
Im zerstörten Wuppertal sahen Hanna Jordan und ihre Mutter (auch Quäkerin) die große Not der Bevölkerung. Gemeinsam räumten sie mit anderen Menschen die Trümmer weg und versuchten, die Not der Menschen zu lindern. Sie gründeten mit Hilfe von internationalen Quäkern ein „neighbourhood-center“ nach amerikanisch-schwedischem Quäker-Vorbild: das spätere Nachbarschaftsheim in Wuppertal. Das Nachbarschaftsheim, im Juli 1949 eröffnet, gab den Bewohnern des zerstörten Stadtteils (heute: Platz der Republik) ein zweites Zuhause. Mit Spenden von Quäkern und wohlhabenden Wuppertaler Bürger:innen schaffte es Hanna Jordan bei ihrem Aufenthalt in Schweden, Baumaterialien nach Wuppertal bringen zu lassen. Der Bau einer Baracke neben dem alten Bunker konnte durchgeführt werden. Bis heute ist das Nachbarschaftsheim ein Treffpunkt der Begegnung und Selbsthilfe für alle Menschen. Die praktizierende Quäkerin Hanna Jordan war bis zum Jahr 2000 im Vorstand des Nachbarschaftsheims Wuppertal e.V. aktiv.8 Außerdem engagierte sie sich in der Wuppertaler Amnesty-International-Initiative. Von 1989-2012 fertigte sie 49 satirische Illustrationen für die Zeitschrift „Quäker, Zeitschrift der deutschen Freunde“, Serie „Quäker-House-Mouse“ an. Auch dem Quäker Internat in Eerde, Niederlande, blieb sie bis zu ihrem Lebensende treu verbunden.
Am 13.11.1965 verlieh ihr die Stadt Wuppertal den Eduard Von der Heydt-Preis.
„Sie würdigt damit das Werk einer Künstlerin, deren bildnerische Phantasie und handwerkliche Präzision viele bedeutende Bühnen im In- und Ausland Entwürfe verdanken. Den Inszenierungsstil des künstlerischen Fernsehspiels hat Hanna Jordan mitgeprägt. … Hanna Jordan hat schon jetzt einen unverwechselbaren Beitrag zum modernen Theater geleistet“.9
1994 erhielt sie den Ehrenring der Stadt Wuppertal. Seit 2001 war sie Ehrenmitglied der Wuppertaler Bühnen.
Hanna Jordan war eine Frau mit großer Überzeugung und Leidenschaft für ihre beruflichen Vorstellungen und ist in vielfältiger Weise und in hohem Maße für ihre Mitmenschen eingetreten. Ein weiteres Lebensmotto von ihr war, „nicht als Verfolgte durchs Leben gehen, sondern als Versöhnerin“.10
Text: Claudia Müller
Foto: © Claudia Müller
Am 26.01.2019 wurde am Haus Wotanstr. 15 eine Gedenktafel für Hanna Jordan eingeweiht.11
Quellen:
1 bis 5 Linsel, Anne; Weltentwürfe – Die Bühnenbildnerin Hanna Jordan, Klartext Verlag, 1. Auflage 2006
6 Linsel, Anne, eba. S. 136
7 https://de.wikipedia.org/wiki/Hanna_Jordan (Stand: 17.12.22)
8 https://www.nachbarschaftsheim-wuppertal.de/08_Verein/08_02_die_geschichte.html (Stand: 09.09.22)
9 https://www.wuppertal.de/kultur-bildung/kulturpreis/jordan.php (Stand: 18.12.22)
10 https://www.kulturwest.de/inhalt/dienst-am-raum/ (Stand: 17.12.22); Rede Linsel, Anne am 01.06.2007
11 https://www.wz.de/wuppertal/zooviertel-gedenktafel-fuer-hanna-jordan-enthuellt_aid-35936671 (Stand: 25.1.22) und
https://www.denkmal-wuppertal.de/2021/04/hanna-jordan-gedenktafel.html (Stand: 17.12.22)
https://musenblaetter.de/artikel.php?aid=13576 (Stand: 25.10.22) (Trauer um Hanna Jordan)
Fotos:
© Copyright Nachbarschaftsheim – mit freundlicher Genehmigung
© Gedenktafel, Wotanstr. 15, Foto Claudia Müller
© Copyright Stadt Wuppertal (Bühnenbild)
© jochen vogler – vvn-bda