Foto: © Privatbesitz Graue Panther
Gertrud 'Trude' Unruh
Gertrud „Trude“ Unruh, geborene Kremer, war eine Politikerin und Buchautorin. Sie war Mitbegründerin des Senioren-Schutz-Bundes, später „Graue Panther“ e.V. in Wuppertal und – so die Ehrung zu ihrem 90. Geburtstag – „hat mehr für die Alten in Deutschland bewirkt, als alle Seniorenpolitiker:innen zusammen“.1
Trude Unruh wurde am 07.03.1925 in Essen als nichteheliche Tochter einer Hausdame geboren. Sie wuchs bei ihren Großeltern auf. Ihre Kindheit verbrachte sie in einer Krupp’schen Arbeitersiedlung. Ihr Großvater war Stahlarbeiter bei Krupp. Nach ihrer Mittleren Reife arbeitete sie ab 1940/41 bei der Firma Krupp in Essen. Dank emsiger Weiterbildung arbeitete sie sich zur Chefsekretärin hoch.2
Wie viele andere Menschen dieser Generation hat sie Terror, Gewalt, Krieg, zerbombte Städte, Flucht und Tod erlebt.3 Diese Zeit und viele Erfahrungen prägten auch ihren späteren politischen Werdegang.
1944 heiratete sie ihren Mann, Helmut, der kriegsversehrt war. Bis zu seinem Tod 1993 blieb sie an seiner Seite. 1956 und 1960 wurden ihre beiden Söhne geboren. Mit ihrer Familie zog sie im Frühjahr 1968 nach Wuppertal, dort begannen ihre politischen Aktivitäten.
Ihr Vorbild war damals Gustav Heinemann und sie trat in die SPD ein, später wieder aus. Ihre Themen waren die Rechte der Frauen, Gleichberechtigung, gleiche Bildungschancen, die Fristenlösung bei Schwangerschaftsabbruch. Ihre Schwiegermutter habe sie stark ermutigt, für die Rechte von alten Menschen einzutreten und aktiv zu werden. („Mach mal was!“4). Beide waren nach dem Besuch eines Altenheimes schockiert.
1972 gründete sie den ersten Seniorentreff im alten Viehhof-Gebäude in Wuppertal (später alternatives Kultur- und Kommunikationszentrum „Alte Börse“). Hier trafen sich monatlich Wuppertaler:innen, um sich über Politik auszutauschen, von der sie als Senior:innen selbst betroffen waren. Sie wollten nicht verwaltet oder ruhiggestellt werden. Aus diesem Senior:innen-Treff entstand 1975 der erste Senioren-Schutz-Bund e.V. in Wuppertal, der bald unter dem Namen „Graue Panther e.V.“ berühmt wurde. Das Motto „Fröhlichkeit und Politik“ zog rasch viele Teilnehmende an. Schon bei der Gründung legte Trude Unruh Wert darauf, dass es sich „um einen Verein mit politischer Willensbildung“ handelte, der sich das Ziel setzte, gesellschaftspolitische Missstände aufzugreifen. In der Politik wurden „Verbündete“ gesucht und in gemeinsamen Initiativen und Aktionen Lösungen erarbeitet.
Trude Unruh versammelte immer öfter die SSB-Mitglieder zu öffentlichen Aktionen. Sie protestierten vor Pflegeheimen und vor Rathäusern.
Sie ermunterte andere Alte mitzumachen:
„Wir haben doch nichts mehr zu verlieren“,
rief sie dann ins Mikrophon.
Und die staunende Presse, ob der Präsenz der immer wiederkehrenden „wild gewordenen Alten“, war schnell dabei von den „Grauen Panthern“ zu sprechen, angesichts der gleichzeitig in den USA gegründeten „Black Panther“-Bewegung junger (schwarzer) Bürgerrechtler:innen.
Es reichte auch nicht mehr, nur in Wuppertal und Umgebung aufzutreten, die gleichen Probleme gab es schließlich in der ganzen Bundesrepublik. Deshalb ermunterte Trude Unruh Aktionswillige in anderen Orten, Gruppen zu bilden und einen (in der Regel) dreiköpfigen Vorstand zu wählen, der Aktionen plante und andere Mitglieder zu regelmäßigen Treffen zusammenrief. So entstanden quer durch Deutschland die legendären Außenstellen der Grauen Panther. Von Anfang an stand fest: Wer Senior:innen schützen will, der muss auch Jüngere in den eigenen Reihen haben. Außerdem dürfen die Alten auch die Interessen der Jüngeren auf bessere Bildung, für bessere Jobs und ausreichenden Verdienst nicht aus den Augen verlieren. Trude Unruh überließ diesen Außenstellen sogar die Einnahmen der Mitglieds-Beiträge in eigener Regie wie auch die Einkünfte aus Erbschaften und Vermächtnissen zur Ansammlung von Vermögen. Damit sollten Einrichtungen von „Schutzwohnungen“ oder gar „Lebenshäusern“ in eigens dafür angemieteten Häusern verwirklicht werden. 1986 entstand in Wuppertal-Wichlinghausen die erste Graue-Panther-Wohngemeinschaft.
1983 wurde die Zeitschrift „Grauer Panther“ gegründet.
Ihr parteipolitischer Weg führte Trude Unruh Mitte der 1980er Jahre zu den Grünen. Als Spitzenkandidatin der Grünen in NRW wurde sie als Parteilose von 1987-1990 Mitglied des Deutschen Bundestages in Bonn und vertrat dort vehement die Rechte der Alten. So hat sie an Änderungen des Betreuungsrechts (Abschaffung der „fürsorglichen“ Fixierung5) mitgewirkt. Sie setzte sich gegen Entmündigung, Vereinsamung und Verarmung von Senior:innen ein, Themen, die nach wie vor aktuell sind. „Ohne ihre Beiträge und Reden im Bundestag hätten die etablierten Parteien nie etwas in der Gesundheits- und Rentenpolitik verändert.“6
Die Grünen verpflichteten sich mit einem sogenannten „Sprachrohrvertrag“ die Interessen der Grauen Panther zu vertreten. Daraus ist z.B. ein Gesetzentwurf für eine staatliche Grundrente entstanden. Nach Streitigkeiten mit den Grünen, die zum Fraktionsausschluss führten, gründete Trude Unruh ihre eigene Partei, „DIE GRAUEN – Graue Panther“. Sie blieb bis September 2007 Bundesvorsitzende ihrer Partei. Danach wurde sie Ehrenvorsitzende.
„Zu ihrem 70. Geburtstag erklärte sie in einem Interview, dass sie von ihrem Ziel, „die Menschenwürde im Kapitalismus“ anzustreben, niemals ablasse.“ Diese Haltung bezeichnete sie als „Trudismus“.7
Ende 2007 wurde bekannt, dass die Partei „Die Grauen“ mit fingierten Spendenquittungen viel Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung erschlichen hatten. „Die Grauen“ lösten sich im März 2008 auf. Gegen Trude Unruh bestanden keine Verdachtsmomente – sie wurde auch nicht als Zeugin zu dem 2011 begonnenen Prozess geladen.8 Die „unermüdliche Kämpferin für die Rechte der Alten und Jungen“ zog sich 2007/2008 aus der Öffentlichkeit zurück.9
In ihrer aktiven Zeit gründete Trude Unruh z.B. das „Generationen-Bildungswerk Graue Panther Nordrhein-Westfalen e.V.“ (1991), die Trude-Unruh-Stiftung und die Trude-Unruh-Akademie (1996).
Trude Unruh starb am 30.11.2021 in Wuppertal, nach langer Demenzerkrankung. Die Nachricht von ihrem Tod erreichte die Öffentlichkeit erst Monate später (02.08.2022).
Text von Jutta Jaura, Berlin, und Erika Lohe-Saul, Göttingen, mit Ergänzungen von Claudia Müller
Fotos: Privatbesitz Graue Panther
„Auszug aus den Schriften von oder mit Trude Unruh“ –
von der Homepage www.bundesverband-graue-panther.de
- Bierwirth, Wolfgang: Alt werden in Wuppertal, Jugenddienst Verl. 1977
- Huber, V.E. (Hrsg.) u.a. Verl.ges. Gesundheit, 1985
- Kirfel, Barbara (Hrsg.): Schluß mit dem Terror gegen Alte. Fallbeispiele und Gegenaktionen.
- Aufruf zur Rebellion. Graue Panther machen Geschichte. Klartext, Essen, 1987
- Trümmerfrauen – Biografien einer betrogenen Generation, Klartext Essen, 1987
- Zander, Margherita (Hrsg.): Anders Altsein, Klartext 1987
- Tatort Pflegeheim, Zivis berichten, Klartext 1989
- Kemper, Kerstin/Lehmann, Peter (Hrsg.): Alte gegen Psychiatrie – Vormund und Pillen oder eigener Wille, 1990
- Grau kommt – das ist die Zukunft, Goldmann, München 1990
- Unruh, Trude: Schluß mit dem Terror gegen Alte, Fallbeispiele gesammelt von Trude Unruh, Klartext 1991
- Gegen die Verbeamtung der Parlamente, Klartext 1994
- Thieler, Volker, Prof., Dr.: Bestechungs Republik Deutschland, Selbstverlag 1998
- Thieler, Volker, Prof. Dr.: Tatort Altenbetreutes Wohnen, Selbstverlag 1999
- Heute wir, morgen ihr, Generationengeschichten, Selbstverlag 2005
- Thieler, Volker, Prof., Dr.:Tatort Erbschleicherei, Selbstverlag 2006
Weitere Informationen und Quellen:
https://www.bundesverband-graue-panther.de/historie/
https://www.graue-panther-berlin.de/trude-unruh.php
Fotos:
Privatbesitz Graue Panther
Quellen:
1 Büro gegen Altersdiskriminierung: Hänsch, Klaudia + Lohe-Saul, Erika,
Schweitzer, Hanne: Trude Unruh wird 90 – Ehrung und Biografische Daten
https://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=6656 (Stand: 14.04.2023)
2 Grönewald, Bettina, dpa, in: Süddeutsche Zeitung vom 02.08.2022
3 https://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=6656 (Stand: 14.04.2023)
4 Magoley, Nina; Aktuelle Stunde, WDR, 02.08.2022
5 ebd.
6 ebd.
7 ebd.
8 ebd.
9 https://taz.de/Nachruf-auf-Trude-Unruh/!5872283/ (Stand: 14.04.2023)
https://de.wikipedia.org/wiki/Trude_Unruh vom 07.03.2023
Verortung:
Verortet wird Trude Unruh: Rathenaustr. 2, 42277 Wuppertal-Barmen, ehemaliger Sitz des Seniorenschutzbundes Graue Panther e.V. in Wuppertal.