Foto: © Mit frdl. Genehmigung Stadt Wuppertal | Medienzentrum | Gerd Neumann
Ursula Kraus
SPD-Politikerin, Oberbürgermeisterin der Stadt Wuppertal (1984 – 1996)
“Wenn man der Meinung ist, daß mehr Frauen in der Politik mitmachen sollen, darf man nicht ‘nein’ sagen, wenn man selber gefragt wird.”
Ursula Kraus wurde zwar 1930 im saarländischen Neunkirchen geboren, fühlte sich nichtsdestotrotz als echte Wuppertalerin. Ihre Eltern stammten aus Wuppertal und zogen bereits 1935 dorthin zurück. Ursula wuchs zusammen mit einer jüngeren Schwester in Wichlinghausen auf. Nachdem sie das Gymnasium mit der mittleren Reife verlassen hatte, begann sie 1949 eine Ausbildung zur Industriekauffrau in einer Druckerei und trat zeitgleich in die IG Druck und Papier ein. Politisches Engagement wurde in der Familie großgeschrieben: Ihr Vater Friedrich “Fritz” Kraus (1903-1969) war Mitglied der SPD-Ratsfraktion der Stadt Wuppertal und von 1957 bis 1965 Bundestagsabgeordneter und auch ihre Schwester Renate (Warnecke) sollte sich später auf kommunalpolitischer Ebene engagieren.
Neben ihrer beruflichen Tätigkeit – zuletzt als Leiterin des Vertriebsinnendienstes einer Druckerei – engagierte sich Ursula Kraus schon früh als Betriebsrätin und Gewerkschafterin. 1956 trat sie in die SPD ein. Eine Karriere in der Politik hatte sie zwar nicht angestrebt, ließ sich aber doch auf Bitte des SPD-Unterbezirks als Kandidatin eines der vier Wuppertaler Wahlkreise für die Landtagswahl 1980 aufstellen. “Wenn man der Meinung ist, daß mehr Frauen in der Politik mitmachen sollen, darf man nicht ,nein’ sagen, wenn man selber gefragt wird.”1
Gewählt mit 53 % der Stimmen zog Ursula Kraus 1980 in den NRW Landtag ein, dem sie nach einer Wiederwahl bis 1990 angehörte. Als Mitglied im Wirtschafts- und im Petitionsausschuss lagen ihr besonders Projekte zur Verbesserung der Ausbildung junger Mädchen in Männerberufen am Herzen. Eine gute Ausbildung sei der beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit, von der Frauen noch einmal anders als Männer bedroht seien.2
Als gemeinsame Spitzenkandidatin von SPD und Grünen trat sie 1984 zur Kommunalwahl an und wurde die erste weibliche Oberbürgermeisterin Wuppertals. Die Tatsache, dass zeitgleich mit Irmgard Wohlert (Die Grünen) eine weitere Frau zur stellvertretenden Bürgermeisterin gewählt wurde, veranlasste die Zeitungen zu Schlagzeilen wie “Zwei Frauen regieren Wuppertal”.3 Die Verbindung von landes- und kommunalpolitischer Tätigkeit schätzte Ursula Kraus besonders, gab es doch nun weitere Möglichkeiten, sich für Wuppertal und die Wuppertaler*innen einzusetzen. Um sich ganz auf ihre Tätigkeit als Oberbürgermeisterin zu konzentrieren verzichtete sie 1990 darauf, sich erneut für die Landtagswahl aufstellen zu lassen.
Zu großen Projekten innerhalb von Ursula Kraus’ 12jähriger Amtszeit gehören u.a. der erstmalig stattfindende “Lange Tisch” zum 60. Geburtstag Wuppertals, Umbau und Wiedereröffnung des Von der Heydt Museums und der Historischen Stadthalle, Eröffnung des Wuppertal Instituts und der Begegnungsstätte Alte Synagoge, sowie der Abschluss von drei Städtepartnerschaften. Darunter erforderte besonders die 1987 begründete Partnerschaft mit Schwerin ihr diplomatisches Geschick, wurden doch die Bemühungen um direkten Kontakt zwischen Bürger*innen beider Städte anfangs besonders von ostdeutscher Seite kritisch betrachtet. Zu dieser Zeit war es überhaupt erst die zweite Partnerschaft zwischen zwei Städten aus der Bundesrepublik und der DDR.
Transparenz, Bürgernähe und das Sorgen um gesellschaftlichen Zusammenhalt kennzeichneten ihre Amtszeit. So sei sie nicht nur immer ansprechbar gewesen – auf den Rathausfluren oder bei zahlreichen repräsentativen Anlässen – erinnert sich der jetzige OB Uwe Schneidewind, fraktionsübergreifend sei auch ihre Amtsführung als “straff, souverän und charmant” gelobt worden. Weiter führt er aus: “Mit Herz, Verstand, beeindruckender Bodenständigkeit und einem immer offenen Ohr für die Sorgen und Nöte derer, die sonst vielleicht nicht gehört wurden, stand sie mit ihrer Politik für soziale Gerechtigkeit, Toleranz und gesellschaftlichen Zusammenhalt.“4
Als 1996 die Amtsperiode des Verwaltungsdirektors Dr. Cornelius (der die hauptamtliche Stadtspitze bildete) auslief, beendete auch Ursula Kraus ihre Zeit als erste und letzte ehrenamtliche Oberbürgermeisterin Wuppertals und machte den Weg frei für ihren Nachfolger Hans Kremendahl. Auch nach ihrem Ausscheiden aus der aktiven Politik engagierte sie sich weiterhin. So setzte sie sich sowohl für die Gründung des Fördervereins Neue Synagoge als auch für den Bau einer neuen Synagoge in Barmen ein.
An ihrem Geburtstag starb Ursula Kraus am 2. August 2021 mit 91 Jahren.
In einem Nachruf erinnert sich der Vorsitzende des Freundeskreises Neue Synagoge, Stefan Kühn: “Die Familie von Ursula Kraus gehörte zu den Verfolgten des Nazi-Regimes. Die Erfahrung von Ausgrenzung und Verfolgung hat sie stark geprägt. Viele Orte der Erinnerung an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte sind in ihrer Zeit als Landtagsabgeordnete und Oberbürgermeisterin entstanden und von ihr unterstützt worden. Es waren für sie immer auch Orte der Mahnung für die Gegenwart und Orientierungen für das Handeln für die Zukunft. Ich habe Ursula Kraus Anfang der 80er Jahre kennen und schätzen gelernt. Sie stand ein für die gleiche Würde und die gleichen Rechte aller Menschen – unabhängig von Herkunft, Muttersprache, Hautfarbe und Religion. Diese Haltung stand im Mittelpunkt ihres Denkens und Handelns.”5
Die SPD-Ratsfraktion schließt ihren Nachruf mit den Worten: “Sie hat sich für ihre Stadt begeisternd eingesetzt und konnte so viele Menschen für Wuppertal und weit über die Grenzen Wuppertals hinaus begeistern.”6
Auf der offiziellen Trauerfeier der Stadt Wuppertal fasst Oberbürgermeister Schneidewind das Wirken von Ursula Kraus so zusammen: “Das Oberbürgermeisteramt war damals noch ein Ehrenamt, und Ursula Kraus hat im wahrsten Sinne des Wortes diesem Amt Ehre gemacht!”7
Für Ihr Engagement wurde Ursula Kraus vielfach ausgezeichnet, u.a. wurde sie im Jahre 2000 Ehrenbürgerin der Stadt Wuppertal, zwei Jahre später erhielt sie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und im Jahre 2010 schließlich den Titel “Alt-Oberbürgermeisterin”. Die Verleihung gerade dieses Titels wäre eher auch nicht möglich gewesen: denn als „Alt-Oberbürgermeisterin“ wollte sie sich keinesfalls vor ihrem 80. Geburtstag bezeichnen lassen.
Text: Annette Brand | Erstellung 01.06.2024
Quellen:
1 https://www.landtag.nrw.de/home/aktuelles/zeitschrift-landtag-intern/suche–archiv/abgeordnetenportrats/abgeordnetenportrats-ergebnissei.html?rubrik=PORTR%C3%84T&titel=SPD&page=5; hier: Eintrag 218: Porträt der Woche: Ursula Kraus (SPD) von Gerlind Schaidt, in: „Landtag intern“, Ausgabe vom 1.3.1988, S. 19
2 ebd.
4 ebd.
6 https://www.spdrat.de/trauer-um-alt-oberbuergermeisterin-ursula-kraus/
7 vgl. 3
Verortung im Stadtplan: Barmer Rathaus, Johannes-Rau-Platz 1