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Raabestr. 6, 51105 Köln – mit freundlicher Genehmigung
Maria Catharina Husemann
Maria Catharina Husemann1 ist am 01.11.1892 in Elberfeld (Wuppertal, Bleichstr. 10) geboren. Seit 1926 arbeitete sie als Sekretärin des Caritasverbandes Wuppertal. Die tief gläubige Katholikin setzte sich in der Zeit des Nationalsozialismus sehr für ihre Mitmenschen ein und leistete Widerstand. Sie wurde von der Gestapo verhaftet und in verschiedene Konzentrationslager deportiert. Nach Kriegsende kehrte sie nach Wuppertal und zur Caritas zurück.
Am 12.12.1975 starb Maria Husemann in Wuppertal und ist auf dem katholischen Friedhof Wuppertal-Uellendahl bestattet worden.
Maria Husemann wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Der Vater war Werkzeugmacher und Kutscher, die Mutter Hausfrau. Früh verlor sie ihre beiden Eltern und zwei ihrer Geschwister. Zu ihrer jüngeren Schwester, einer Ordensfrau der Barmherzigen Schwestern, hatte sie in späteren Jahren wieder Kontakt. Ca. 1920 mussten ihr nach einer verschleppten Grippe und einer daraus resultierenden Osteomyelitis Teile des Unterkiefers entfernt werden. Dieser Eingriff und spätere Operationen erschwerten die Nahrungsaufnahme.
Maria Husemann besuchte eine kaufmännische Fortbildungsschule und wurde Buchhalterin. Dieser Berufsabschluss war für die damalige Generation von Frauen durchaus ungewöhnlich. Seit 1926 arbeitete sie als Sekretärin bei der Caritas in Elberfeld. Diese hatte sich 1897 gegründet, um etwas „gegen die Armut“ zu tun. Der damalige Vorsitzende, Kaplan Hans Carls, kam nach der „Machtergreifung der Nationalsozialisten“ rasch in Bedrängnis, da er Predigten des Bischofs von Münster veröffentlichte, die gegen die Nationalsozialisten, insbesondere auch gegen die Euthanasie, gerichtet waren. Maria Husemann, die die Schriften nach der Verhaftung von Hans Carls weiterverbreitete, rückte ebenso durch Denunziation in das Visier der Gestapo und wurde 1941 erstmalig kurzfristig verhaftet. Sie arbeitete im Widerstand aus christlichem Glauben heraus. Gemeinsam mit ihrem Chef sorgte sie dafür, dass jüdische und „halbjüdische“ Menschen Ausreisepapiere und andere Hilfen der Auswandererfürsorge erhielten. Sie kümmerte sich um in Not geratene jüdische Familien, versorgte sie mit Lebensmitteln etc. Als ihr Chef 1941 von der Gestapo verhaftet und zuerst in das Wuppertaler Gestapo-Gefängnis eingeliefert und später in das Konzentrationslager Dachau gebracht wurde, besuchte sie ihn regelmäßig, versorgte ihn mit Medikamenten und schmuggelte seine Schriften über die grausamen Zustände im KZ heraus. Sie setzte ihre Tätigkeit für in Not geratene Menschen, Verfolgte des Regimes und andere KZ-Insassen fort, ohne Rücksicht auf ihre eigene Situation. Die Caritas, jetzt für Gesamt-Wuppertal, wurde in der katholischen St. Anna Schule in Wuppertal untergebracht, am heutigen Unterrichtsraum 7.19.
Nach dem Luftangriff auf Wuppertal im Juni 1943 verlor sie ihre Wohnung. Auch die Caritas-Dienststelle in der St. Anna-Schule war durch Bomben beschädigt. Maria Husemann übergab wichtige und gefährliche Dokumente einer Bekannten, die spätere Rückgabe war geplant. Jedoch wurden vor der Übergabe die Dokumente aus dem Auto des Chauffeurs – aufbewahrt in einer Zigarrenkiste – von einem Arbeiter in Erwartung von Rauchwaren gestohlen. Er warf die für ihn wertlosen Papiere auf der „Hardt“ in Wuppertal weg. Ein katholischer Arbeiter, der die brisanten Papiere fand, gab sie nach einiger Zeit an seinen Betriebsleiter weiter. Dieser übergab sie dem zuständigen Kreisleiter. Folge war, dass Maria Husemann am 22.12.1943 erneut von der Gestapo verhaftetet wurde.
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Acht Monate wurde sie im Wuppertaler Gestapo-Gefängnis in strengster Einzelhaft ohne jede Ablenkung – außer täglichen Verhören mit Folterungen – inhaftiert. In ihren Erinnerungen2 beschreibt sie diese und die folgende Zeit als „in den Klauen der Gestapo“. Durch ihren Glauben schaffte sie es, den Verhören standzuhalten und keinerlei Namen preiszugeben. Da sie derart standhaft war, wurde sie am 23.08.1944 in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück (Häftlingsnummer 61542) eingeliefert. Dort erlebte sie die ganze menschenunwürdige, –verachtende und –entwürdigende Haltung der Nationalsozialisten und ihrer Schergen. Sie lebte ca. einen Monat im sogenannten „Zugangsblock“ – wie alle anderen KZ-Insassinnen – unter schrecklichen Verhältnissen. Maria Husemann hatte den sehnlichsten Wunsch zu arbeiten, um sich ihre restliche Lebensenergie zu erhalten. Ihre Akte hatte die „berüchtigten drei roten Kreuze“, sie war auf den „Aussterbe-Etat“ gesetzt. Vom 15.09.1944 bis zum 17.04.1945 war sie im Arbeitskommando der Siemens-Werke im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, Außenlager Graslitz (Häftlingsnummer 52808) und verrichtete Zwangsarbeit.
Im Frühjahr 1945, die Befreier rückten näher, wurde das KZ von der Lagerleitung aufgelöst und die noch verbliebenen Gefangenen auf einen der berüchtigten „Todesmärsche“ durch das Sudetenland geschickt. Unterwegs setzte sich Maria Husemann für „zwei an Durchfall erkrankte jüdische Kameradinnen“ ein, blieb bei ihnen und erreichte für die drei Frauen einen sogenannten „Entlassungsschein“ des Kommandanten des KZ Flossenbürg, Außenarbeitslager für Frauen, Graslitz. Nach tagelangen Märschen und Zugfahrten kam Maria Husemann am 05.06.1945 mehr tot als lebendig in Wuppertal an. Im Krankenhaus Marienheim wurde sie ca. zwei Monate behandelt und gepflegt, da sie im Zustand der völligen Erschöpfung dort ankam. Später (1949) wurde ihr ärztlicherseits bescheinigt, dass sie durch ihre Gefangenschaft und den nachfolgenden Todesmarsch deutliche Einbußen ihres Gesundheitszustandes hinnehmen musste.
Nachdem sie sich gesundheitlich erholt hatte, arbeitete sie erneut als Sekretärin für die Caritas in Wuppertal, wieder unter ihrem ehemaligen Chef Hans Carls. 1951 wurden beide berentet. Von der Caritas erhielt Maria Husemann die silberne Ehrennadel des Verbandes. Gleichzeitig wurden ihre Verdienste jedoch auch heruntergespielt.
Maria Husemann blieb aktiv im politischen und auf Menschen ausgerichtetem Leben. 1951 wurde sie Vorsitzende des von ihr mitgegründeten „Bundes der Verfolgten des Naziregimes“ (BVN). 1959 war sie Mitbegründerin (u.a. mit Johannes Rau) der „Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit“ und später deren Geschäftsführerin. 1970 erhielt sie von Johannes Rau das Bundesverdienstkreuz 1.Klasse. Am St.-Anna-Gymnasium erinnert seit 1993 eine Gedenktafel an Maria Husemann. An dem Ort, wo früher das Caritasbüro war und sie 1943 verhaftet wurde.
Wiedergutmachungsakte:
Maria Husemann wurde per Antrag am 21.03.1949 als politisch, rassisch und religiös Verfolgte des NS-Regimes mit der Ausweis-Nummer 168 anerkannt. Am 22.09.1949 stellte sie einen Antrag auf Entschädigungsrente. Ihr Arzt in Wuppertal bescheinigte ihr, durch die erlittene Einzelhaft, den Zeiten in Konzentrationslagern und dem Todesmarsch gesundheitliche Einschränkungen im Umfang von 70% der „Normalrente“ erlitten zu haben. Der Arbeitsminister NRW, „Sonderabteilung für die Opfer des national-sozialistischen Terrors“, später Gewaltherrschaft, bescheinigte eine 30% Rente (70 DM pro Monat). Maria Husemann kämpfte mit dem BVN e.V. bis ca. Ende der 1950iger Jahre um eine angemessenere Rente. Durch das BEG (Bundesentschädigungsgesetz für die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung vom 18.09.1953) erreichte sie nach langen Schriftwechseln eine Erhöhung ihrer Rente und einen früheren Rentenbeginn. Zuletzt (1975) bekam Maria Husemann eine monatliche Rente von 682 DM.4
Text: Claudia Müller
Maria Husemann, © Momente weitergeben, c/o Radwan PR&Marketing GmbH, Raabestr. 6, 51105 Köln – mit freundlicher Genehmigung
Quellen:
1 Hier und im Folgenden:
https://maria-husemann.momente-weitergeben.de/ (Stand: 15.08.22)
https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Husemann (Stand: 10.08.22)
https://caritas.erzbistum-koeln.de/frauen-macht-caritas/die_frauen/portraets/Maria_Husemann
(Stand: 15.08.22)
https://www.gcjz-wuppertal.de/unsere-geschichte.html (Stand: 10.08.22)
https://www.denkmal-wuppertal.de/tag/maria-husemann (Stand: 15.08.22)
bergischeblätter, 45. Jahrgang 07.2022, Seite 10-11
Müller-Urban, Kristiane, Urban, Eberhard: Maria Husemann, S. 67-72, in: „Starke Frauen im Bergischen Land“, Droste Verlag, 2016
2 Husemann, Maria; Mein Widerstandskampf gegen die Verbrechen der Hitlerdiktatur, Bericht von Sommer, Karl (nach dem Bericht von M. Husemann), 1964, November 1983
Husemann, Maria: „Hätte ich nicht die Liebe“, S. 111-136, in: Mohr, Anne und Prégardier, Elisabeth; Gesang aus dem Feuerofen, Frauen-KZ Ravensbrück 1939-1945, Plöger Medien GmbH, 2002
Brychta, Elke und Reinhold, Anna-Maria, „Von jetzt ab in den Klauen der Gestapo“, S. 78-88, in: Schaufler, Hermann und Stratmann, Benedikt (Hg.) St. Anna 1905 bis 2005, Festschrift zum hundertjährigen Jubiläum der Erzbischöflichen St.-Anna-Schule in Wuppertal, Druckerei Paul Hartgen, 1. Aufl. 2005
Bettecken, Wilhelm; Maria Husemann in Wuppertaler Biographien 14. Folge, Wuppertal 1984, S. 40-44
3 Bilder: © Momente weitergeben, c/o Radwan PR&Marketing GmbH, Raabestr. 6, 51105 Köln; vom 12.09.22 mit freundlicher Genehmigung
4 Lesesaal Landesarchiv NRW, Schifferstr. 30, 47059 Duisburg, Entschädigungsakte RW 0058 Nr. 9346
Verortung:
Die Bleichstraße existiert heute nicht mehr – sie lag in Höhe der heutigen Bembergstraße, wo wir Maria Husemann im Stadtplan verortet haben.