Elisabeth Franziska Mauritia Engels, Ölgemälde 1871
(Familie Hermann Engels, Engelskirchen | Foto: © Sabine Hermes – Restaurierung, Köln)
Elise Engels geb. van Haar
Elise (Elisabeth Franziska Mauritia) Engels geb. van Haar war vom Glück begünstigt. Sie selbst hätte es als Segen Gottes bezeichnet, denn sie war eine tiefgläubige Frau. Ihr erstgeborener Sohn Friedrich sollte allerdings einen völlig anderen Weg einschlagen, als es diese bürgerliche und gottesfürchtige Mutter vorgesehen hatte. Gemeinsam mit Karl Marx wurde er zum Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus, der die Weltgeschichte prägen sollte.
Elise van Haar kam 1797 in Hamm/Westfalen als Tochter des Gymnasiallehrers Gerhard Bernhard van Haar zur Welt. Ihre Mutter Franziska Christina geb. Snetlage entstammte einer hochangesehenen protestantisch-reformierten Theologenfamilie. Elise gehörte zur privilegierten Minderheit der Frauen im Deutschland des 19. Jahrhunderts, die ohne materielle Not aufwachsen konnte. Ihr wurden Liebe und Bildung zuteil, sie durfte eine Neigungsehe eingehen und überlebte die Geburt von neun Kindern. Elises Herkunftsfamilie legte großen Wert auch auf die Bildung ihrer „Höheren Töchter“, damit diese den Anforderungen an die Frauen der „gesitteten Stände“ als „moralische Wesen“, gute Gattinnen, zukünftige Mütter und „Herrin[nen] über das Gesinde“ entsprechen konnten. Im Alter von 19 Jahren lernte Elise bei einem Aufenthalt bei der Familie Engels in Barmen den ein Jahr älteren Sohn der Familie, Friedrich, kennen und lieben. Die Firma Johann Caspar Engels Söhne gehörte zu den größten Textilunternehmen der Stadt.
Nach den Wirren der französischen Fremdherrschaft zwischen 1795 und 1815 stand der Firma eine glänzende Zukunft im Wuppertal bevor, dem Zentrum der deutschen Textilindustrie in der neu gegründeten preußischen Rheinprovinz. Ebenso wie Elises Eltern gehörten Engels‘ zu den frommen, pietistisch ausgerichteten Familien, die Wert auf Bildung und Kultur legten. Auch wenn Elise van Haars Herkunftsfamilie nicht wohlhabend war, fand diese Verbindung das Wohlgefallen der Familie Engels. Wichtig für eine Ehe in diesen Kreisen war neben der charakterlichen Eignung die Übereinstimmung in Glaubensfragen und auch die gegenseitige Zuneigung. Nach ihrer Eheschließung 1819 lebten Elise und Friedrich Engels im Haus Bruch Nr. 173 in Sichtweite des (schwieger-) elterlichen Hauses, das heute als „Engelshaus“ bekannt ist. Am 28. November 1820 wurde als erstes Kind des Paares der Sohn Friedrich geboren. Innerhalb von 14 Jahren sollten acht weitere Kinder folgen, von denen nur eines, Wilhelm, das Kindesalter nicht überlebte. Diese „Quote“ war nicht zuletzt das Verdienst der Mutter, deren kluge Fürsorge in einer Zeit begrenzter medizinischer Versorgung nicht hoch genug zu bewerten ist. Elise und Friedrich Engels waren sehr um ihre Kinder bemüht und hatten ein liebevolles Verhältnis zu ihnen. Auch die Eheleute waren sich zeitlebens herzlich zugetan: „Du meiner Augen Licht und meiner Seele Freude“ schrieb Friedrich Engels seiner Elise zu ihrem 60. Geburtstag. Die beiden führten eine durchaus partnerschaftliche Ehe: So wie die Erziehung der Kinder auch Angelegenheit des Familienvaters war, bezog Friedrich Engels sen. seine Frau auch bei den geschäftlichen Vorgängen mit ein.
Elise Engels besaß bei allen Firmen ihres Ehemannes Brief- und Unterschriftenvollmacht. Die radikalen Ansichten und revolutionären Aktivitäten ihres hoch begabten Erstgeborenen stellten für die Familie Engels allerdings eine langjährige Zerreißprobe dar, die nur mit viel Liebe, Geduld und Toleranz bestanden werden konnte. Elise Engels dürfte einen erheblichen Anteil daran gehabt haben, dass es nicht zu einem Bruch mit dem abtrünnigen Sohn und Bruder kam. An seinem Leben und Wirken nahm sie bis zu ihrem Lebensende Anteil; seine Schriften kommentierte sie sachlich und kritisch, wie in ihrem Brief vom 1. April 1865:
„Von Deinem Standpunkt betrachtet ganz gut; was mich aber besonders freut, ist, daß die Sprache darin weit ruhiger u[nd], mögte ich sagen, anständiger ist wie Sachen, die ich früher von Dir gelesen habe.“
Elise Engels lebte ab 1867 im Kreise ihrer Familie in der Villa Braunswerth bei der Textilfabrik „Ermen und Engels“ in Engelskirchen. Sie starb 1873 und wurde an der Seite ihres 1860 verstorbenen Ehemannes auf dem Unterbarmer Friedhof bestattet.
Text: Karin Hockamp
Links: Das Wohnhaus der Familie Elise und Friedrich Engels in Wuppertal-Barmen, Bruch 173. Aufnahme von 1915. Das Haus wurde 1943 bei einem Bombenangriff zerstört. (Stadtarchiv Wuppertal)
Mitte: Friedrich Engels senior und seine Frau Elise, geb. van Haar (Foto: Stadtarchiv Wuppertal)
Rechts: Elisabeth Franziska Mauritia Engels, geb. van Haar (1797–1873), Ölgemälde von Laurenz Schäfer 1871 (Familie Hermann Engels, Engelskirchen | Foto: © Sabine Hermes – Restaurierung, Köln)
Verortung: Bruch 173, Wuppertal
Quellen:
Thorsten Dette: Die Eltern von Friedrich Engels im Spannungsfeld von Familie, Unternehmen, Kapital und Kirche. In: Friedrich Engels. Ein Gespenst geht um in Europa. (= Begleitband zur Engelsausstellung 2020), hrsg. von Dr. Lars Bluma, Wuppertal 2020
Sigrid Kayser: Geschichte der höheren Mädchenbildung in Hamm 1796-1927. Von der „Bildungsanstalt für die Töchter aus den gesitteten Ständen“ zum Oberlyzeum. Hrsg. vom Hammer Geschichtsverein e.V., Hamm 2001
Michael Knieriem (Hrsg.): Die Herkunft der Familie Engels. Briefe aus der Verwandtschaft 1791-1847 (= Schriften aus dem Karl-Marx-Haus Nr. 42), Trier 1991
Mit Dank an: https://www.mi-wuppertal.de