Ausschnitt Grafik: © Von Martha Jäger – Digitale Sammlung, Staatsgalerie Stuttgart https://www.staatsgalerie.de/de/sammlung-digital/eure-kinder-brauchen-frieden-und-brot-darum-frauen-waehlt, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=149149638
Die Elberfelder Künstlerin Martha Jaeger (1867-1950)
Die Malerin und Graphikerin Martha Jaeger wurde am 19. Juni 1867 in Elberfeld geboren. Ihre Eltern waren der Jurist Adolf Jaeger (1832-1899) und seine Frau Ottilie Amalie Jaeger, geb. Spindler (1840-1924).1 Ihr Vater amtierte seit 1863 als besoldeter 1. Beigeordneter der Stadtverwaltung Elberfeld.2 1873 wurde er als Nachfolger von Emil Lischke (1813-1872) in das Amt des Oberbürgermeisters gewählt. Nach Ablauf der 12jährigen Wahlperioden 1884 und 1896 erfolgte jeweils einstimmig die Wiederwahl.
Leider wissen wir über Martha Jaeger als Privatperson sehr wenig. Es gibt offensichtlich keine in Briefen oder anderen Quellen festgehaltenen Äußerungen von ihr oder über sie und ihr Leben abseits von dem Kunstbetrieb. Ein im Internet vorhandenes Foto zeigt sie als junge Frau. Spätere Fotos von ihr, etwa aus Anlass einer Ausstellungseröffnung, sind nicht zu ermitteln gewesen. Die vielen Reisen im In- und Ausland sprechen dafür, dass sie bis zum Ersten Weltkrieg, vielleicht aufgrund ihres Erbanteils, offensichtlich keine finanziellen Sorgen hatte. Vermutlich seit Anfang der 1920er Jahre wurde Elberfeld wieder ihr fester Wohnsitz. Dort richtete sie, die unverheiratet geblieben war, ihre bescheidene Wohnung und ihr Atelier in der elterlichen Villa in der Platzhoffstraße 3 ein. Aus den Adressbüchern geht hervor, dass dort noch zusätzlich bis zu drei Mietparteien wohnten.
Martha Jaeger wuchs mit ihren Geschwistern, drei Brüdern und drei Schwestern, sicherlich wohlbehütet, materiell abgesichert und durch eine angemessene Ausbildung auf die Zukunft gut vorbereitet, in Elberfeld auf. Das Kunststudium nahm sie in Berlin an der dem Kunstgewerbemuseum zugeordneten Unterrichtsanstalt auf. Sie setzte ihre Studien an der Düsseldorfer Kunstakademie und an der Akademie der Künste in München fort. Den Kunstlexika zufolge bildete sie sich als Malerin und Graphikerin in Paris und London weiter und vertiefte schließlich ihre Kenntnisse auf Reisen in der Schweiz, in Holland, Belgien und England.
Die Künstlerin beschickte immer wieder die von der Münchener Kunstgenossenschaft und der Düsseldorfer Künstlerinnenvereinigung Ring organisierten Ausstellungen mit ihren Arbeiten. Seit 1910 war Martha Jaeger regelmäßig in Gemeinschaftsausstellungen bergischer Künstlerinnen und Künstler im Elberfelder Museum und in der Barmer Ruhmeshalle mit ihren Arbeiten vertreten.3 Mit ihr zeigten unter anderen auch Max Bernuth, Gustav Wiethüchter, Jakob Bayer, Curtius Schulten, Eduard Dollerschell sowie Anna von Raqué, Margarete Aldinger und Irma Hartje-Leudesdorff ihre Arbeiten. Veranstalter war in der Regel die 1905 gegründete Bergische Kunstgenossenschaft, der die Genannten angehörten.4
Exlibris für Fritz (Friedrich) Jaeger, Lithographie, Schloss Lüntenbeck, 8×7 cm, o. J. – Privat
Zwischen 1910 und 1922 entwarf Martha Jaeger auch einige Exlibris, in der Regel Lithographien und Linolschnitte. Ab 1915 arbeitete sie in der Propaganda-Abteilung und im Buchverlag August Scherl in Berlin. Sie entwarf Plakate und gestaltete 1917/18 die Umschläge einiger von dem Verlag herausgegebenen Bücher, die von Erlebnissen im Ersten Weltkrieg handelten. Darüber hinaus arbeitete sie für die Zeitschriften „Die Gartenlaube“ und „Die Woche“ und andere Familienblätter, für die sie auch Plakate gestaltete.
Martha Jaeger hat sich offenbar nur sehr selten mit der Öl-Malerei beschäftigt. Einer nicht überprüfbaren Überlieferung zufolge hingen seinerzeit in den „guten Stuben“ mehrerer Familien im Wuppertal ihre Ölbilder. Weiterführende Nachweise gibt es nicht. Im Internet finden sich ein Ölbild und eine Gouache, die in Auktionshäusern in den letzten Jahren zu einem Preis von jeweils rd. 300,00 € versteigert worden sind. Auch dies ist ein Beleg dafür, dass ihr Kunstschaffen weitgehend in Vergessenheit geraten ist und aus Galeristen- und Auktionatorensicht kaum noch Wertschätzung erfährt.
In mehreren Staatlichen Archiven und Sammlungen befindet sich das hier abgebildete, von dem „Ausschuß der Frauenverbände Deutschlands“ 1918 verbreitete Plakat „Eure Kinder brauchen Frieden und Brot. Darum Frauen: Wählt!“.5 Es verdeutlicht die heute kaum vorstellbar schlechte Versorgung mit Lebensmitteln und ist zugleich ein Aufruf an die Frauen, sich an der bevorstehenden Wahl zur Nationalversammlung zu beteiligen.6 Es ist mit „Martha Jaeger“ signiert. Für sie spricht auch die im Stil flächig vereinfachte Pastellzeichnung.
Links: Darum Frauen: Wählt!
Von Martha Jäger – Digitale Sammlung, Staatsgalerie Stuttgart https://www.staatsgalerie.de/de/sammlung-digital/eure-kinder-brauchen-frieden-und-brot-darum-frauen-waehlt, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=149149638
In Einzelfällen trat Martha Jaeger als Illustratorin hervor. 1916 erschien die von Theodor Adolf Wilhelm Schröder und Karl Robert Schmidt herausgegebene Anthologie „Sonnenleuchten. Eine Künstlergabe an das Bergische Land“, die auch ein Gruß der Heimat an die Soldaten, die während des Ersten Weltkriegs an der Front kämpften, war. Martha Jaeger stattete den Band mit vier Radierungen und fünf Federzeichnungen aus. Zuletzt erschien, vermutlich 1949 oder 1950, im Edgar-Krause Verlag in Calbe (Saale) das schmale Heft „Puppenzauber für Alt und Jung“, das Martha Jaeger mit fünf Aquarellen ausschmückte.
Titelblatt “Puppenzauber“. Aquarell, ca. 1949. – Privat.
Im Alter wurde Martha Jaeger mit Einzelausstellungen geehrt. 1937 zeigte das Städtische Museum Elberfeld die von der Künstlerin im Jahr zuvor geschaffenen Eifel-Bilder. Das Museum Schloss Burg stellte 1940 ausgewählte Farbholzschnitte und Grafiken mit Motiven des Bergischen Landes aus. Schließlich wurde 1947 der Künstlerin zu ihrem 80. Geburtstag in der Elberfelder „Galerie am Thalia“ eine Ausstellung, die einen Querschnitt durch ihr Gesamtwerk zeigte, gewidmet.
In Martha Jaegers Atelier fand am 28. September 1946 die Gründung des „Rings Bergischer Künstler“ statt. Zu den Gründungsmitgliedern zählten unter anderen Franz Johann Brandau, Josef Hegemann, Hans Priebe und Adolf Röder (1904-1983)7, der den Vorsitz übernahm.8 Die Künstlerin starb am 20. Dezember 1950 in Wuppertal-Elberfeld. Ihr Bruder Friedrich Jaeger zeigte den Tod seiner Schwester am 22. Dezember 1950 im General-Anzeiger der Stadt Wuppertal „im Namen der trauernden Hinterbliebenen“ an. Danach geriet Martha Jaeger weitgehend in Vergessenheit.
Aus den von mir in den lokalen Zeitungen ermittelten Sammel- und Einzelbesprechungen geht hervor, dass die Kunstkritik Martha Jaegers Arbeiten durchaus schätzte, ihnen jedoch – vielleicht mit Ausnahme der Holz- und Linolschnitte – keine besonders hervorstechenden Merkmale zuordnete. Die Kritiken erlauben allerdings auch den Schluss, dass Martha Jaeger eine sehr produktive Künstlerin gewesen ist, die in ihren Graphiken, Radierungen und Aquarellen einzelne Gebäude, aber auch Ecken und Winkel in Dörfern und Städten, sowie Ortsansichten und Landschaften weit über das Wuppertal hinaus festgehalten hat. Leider sind ihre Arbeiten nur ausnahmsweise in lokalen Publikationen zu finden. Auch im Internet taucht ihr Name nur sehr selten auf. Im Wuppertaler Von der Heydt-Museum befindet sich ein unbearbeitetes Konvolut mit Druckgraphiken der Künstlerin. Vielleicht würde die wünschenswerte Aufarbeitung dieser Sammlung ein deutlicheres Bild der Künstlerin zu zeichnen erlauben.
Text: Dr. Uwe Eckardt
Weitere Werke:
Abb. 1: Bergwerk im Siegertal, Kohlezeichnung, ca. 1940, 47×60 cm. – Privat.
Abb. 2: Turm der evangelischen Pfarrkirche (12. Jahrhundert) in Schöller, Postkarte, o. J. – Privat.
Abb. 3: Buchumschlag für „Kriegsabenteuer eines Funkers“ von Carl Müller, 1917. – Privat.
Verortung: Langjähriger Wohnort und Ort ihres Ateliers in der Platzhoffstraße 3
Quellen:
1 Zu Martha Jaegers Leben und Werk vgl. Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart (Thieme/Becker), 18. Band, Leipzig 1925, S. 334. – Udo Garweg: Wuppertaler Künstlerverzeichnis, Wuppertal 2000, S. 427, mit zahlreichen weiteren Nachweisen. – Vgl. auch den Wikipedia-Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Martha_J%C3%A4ger (04.06.2025).
2 Zu Adolf Jaegers Biographie vgl. Uwe Eckardt: Die Elberfelder Oberbürgermeister von 1814 bis 1929, in: Geschichte im Wuppertal 19, 2010, S. 54-87, hier: S. 67-70.
3 Es gibt den Hinweis, dass Martha Jaeger im April 1910 in einer Sammelausstellung des Barmer Kunstvereins mit 40 Arbeiten vertreten gewesen ist; vgl. Ulrike Becks-Malorny: Der Kunstverein in Barmen 1866-1946. Bürgerliches Mäzenatentum zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, Wuppertal 1992, S. 264. Leider ist es mir nicht möglich gewesen, einen Zeitungsbericht über diese Ausstellung zu ermitteln.
4 Vgl. Carl Robert Schmidt: Goldenes Jubiläum der „Bergischen Kunstgenossenschaft“ (BKG), in: Romerike Berge 5, 1955, S. 85-88. In der Aufzählung der verstorbenen Mitglieder ist auch die „Graphikerin Martha Jaeger“ erwähnt.
5 Vgl. https://unseen-women.design/designerinnen/martha-jaeger (04.04.2025)
6 Mit dem Inkrafttreten des Reichswahlgesetzes am 30. November 1918 haben in Deutschland die Frauen zum ersten Mal das allgemeine aktive und passive Wahlrecht erhalten.
7 Zu Adolf Röders Leben und Werk vgl. U. Garweg: Künstlerverzeichnis, (wie Anm. 1), S. 319-320.
8 Vgl. Eike Pies (Hg.): Grenzenlos – gruppe rbk – Kunst & Künstler 1946-1996, Solingen 1997, S. 9. Der Herausgeber führt in alphabetischer Reihenfolge alle Mitglieder der Künstlerrings auf. Es ist bezeichnend, dass er zu Martha Jaeger im Grunde nur die Lebensdaten nennt. Er hat nicht, wie bei vielen anderen Ringmitgliedern, ein Foto sowie Angaben zum Werdegang und zur künstlerischen Tätigkeit hinzugefügt.